Das Technorama in Winterthur muss sich selbst auf den neuesten Stand der Technik bringen. Es entsteht das grösste Science Center Europas.
Wer Anfang dieses Jahres die Idee hatte, dem Technorama in Winterthur ZH einen Besuch abzustatten, wurde gleich am Eingang völlig überrascht. Den arbeitsfreien Tag wollten offenbar noch tausende andere Menschen nutzen und das Technikmuseum war völlig überfüllt.
Lange Gesichter überall
Viele Kinder hier, viele Erwachsende da. Familien über Familien. Warteschlangen über Warteschlangen vor den Experimentierstationen und interaktiven Kunstwerken. Das war eher das Erlebnis, als Begeisterung und Neugierde für Naturwissenschaft und Technik zu wecken.
Statt verblüffende Erfahrungen und Aha-Momente mit Naturphänomenen zu liefern, standen sich Besucher die Füsse in den Bauch und Kinder machten lange Gesichter.
Neues Konzept präsentiert
Das Technorama wird von seinem eigenen Erfolg überrannt und muss daher sein Angebot komplett überdenken. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Museum mit 364.000 Besuchern einen in den vergangenen vier Jahrzehnten nie dagewesenen Wert, wie das Technorama diese Woche mit Stolz bekanntgab.
Doch nach über 40 Jahren mit einer Verdreifachung der Besucherzahl sowie in die Jahre gekommener Technik müssen die Verantwortlichen etwas tun. Unter dem Stichwort Technorama2050 wollen sie nun ein völlig neues Museum konzipieren.
Wie der Name schon verrät, ist es eher eine langfristige Angelegenheit. Aber in der Schweiz drehen sich die Mühlen selbst bei dringendem Bedarf bekanntermassen nicht so schnell.
Winterthur schlägt Paris
Sanierung, Modernisierung und Erweiterung lautet das Motto von Technorama 2.0, das rund 60 Millionen Franken kosten wird. Die Begeisterung der Schweiz für Naturwissenschaft und Technik soll zum grössten und renommiertesten Science Center Europas führen, wie es diese Woche vor den Medien hiess.
«Konkurrenten», wie die ebenfalls in die Jahre gekommene Cité des Sciences et de l’Industrie im Parc de la Villette in Paris, will Winterthur übertrumpfen.
Der Eigenfinanzierungsgrad des Technoramas, eines der zehn grössten Museen der Schweiz, ist mit 65 Prozent sehr hoch, was zeigt, dass sich die Idee zu einem Grossteil selber trägt.
Nachhaltigkeit als Ziel
Im Eröffnungsjahr 1982, als die Schweiz noch 6,4 Millionen Bewohner hatte, wurden die Haustechnikanlagen beim Bau für 200.000-250.000 Technikfans jährlich ausgelegt. Nach über 40 Betriebsjahren und den steigenden Gästezahlen erfüllen diese Anlagen aber nicht mehr ihren Zweck.
Das Museum mit einer der längsten Aufenthaltsdauern der Schweiz muss das Ambiente um Sanitäranlagen, Gastronomie und Luftqualität verbessern. Kurzum, es muss sich selbst quasi auf den neuesten Stand der Technik bringen.
Logisch stimmen Energieeffizienz, Brandschutz und Nachhaltigkeit nicht mehr. Mit den hohen Besucherzahlen müssen sogar Ausruf- sowie Rauchabzugsanlagen und Fluchtwege völlig neu dimensioniert werden. Ein Orientierungssystem für Menschen mit Sehbehinderungen soll zudem her.
Angenehme Ruhe
Grössere Service- und Gastroflächen sollen obendrein mehr Raum bieten und die Wartezeiten verkürzen. Neue Lüftungs-, Heizungs- und Klimasysteme sollen für Frischluft und eine angenehme Atmosphäre sowie bessere Akustik sorgen.
Das Besuchserlebnis werde dadurch ruhiger und angenehmer, was wiederum die Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Technik und die Naturwissenschaft fördere, wie es weiter hiess. Der Massenandrang soll so abgefedert werden.
Das alte Atrium ist derzeit ein Aussenraum mit offener Überdachung. Im Zuge der energetischen Sanierung werde dieser Bereich nicht nur geschlossen und dadurch ganzjährig zugänglich, sondern auch erheblich erweitert, führte das Technorama aus. Eine neu geschaffene Piazza werde zu einem zentralen Begegnungs- und Orientierungsraum, so das Konzept der Zukunft.
«4K» des 21. Jahrhunderts
Ohnehin wandelt sich die Welt schneller als je zuvor. Statt spezifisches Fachwissen zu vermitteln, wird es darum immer wichtiger, grundlegende Kompetenzen zu erlernen und zu fördern. Diese Kompetenzen seien notwendig, um die Zukunft mitzugestalten und neue Herausforderungen zu bewältigen, mahnten die Verantwortlichen.
Kritisches Denken, Kreativität, Kollaboration und Kommunikation lauten die «4K»-Schlagwörter der Zukunft. Dafür sollte man sich nicht die Füsse in den Bauch stehen müssen, denn der Lernprozess ist schon anstrengend genug.
04.02.2024/kut.