In der digitalen Welt erleben Schreibgeräte plötzlich eine Renaissance. Abseits von Tastaturen suchen Menschen wieder nach Schreiberlebnissen.
In einer Welt, in der Apps den Weg weisen und Nachrichten in Lichtgeschwindigkeit fliegen, scheinen Luxusschreibgeräte, besonders Füllfederhalter, wie Zeitreisende aus einer vergangenen Ära.
Trotzdem sind sie gefragter denn je – als die Hipster der Schreibwelt, die sich weigern, der schnellen digitalen Party beizutreten.
Milliardenmarkt wächst weiter
Trotz der unaufhaltsamen Digitalisierung heutzutage erfreuen sich exquisiten Schreibutensilien einer ungebrochenen Nachfrage, die sogar weit über den reinen Funktionsaspekt hinausgeht.
Das Marktforschungsunternehmen The Ishight Partner ermittelte, dass der Markt für exklusive Schreibgeräte durchschnittlich um 5 Prozent pro Jahr wächst.
Im Jahr 2021 betrug der weltweite Umsatz in diesem Segment 2,3 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2028 soll der Markt um weitere 40 Prozent bei den Einnahmen auf rund 3,3 Milliarden Dollar zulegen.
Füller als Kunstwerke
Luxuswarenhäuser, wie etwa das Londoner Nobelkaufhaus Selfridges, meldete unlängst, dass Luxusschreibgeräte und edle Schreibutensilien derzeit regelrechte Kassenschlager seien. Der Absatz liege so hoch wie seit rund zehn Jahren nicht mehr.
Nobelfüllhalter sind nicht nur schöne Schreibgeräte, sondern regelrechte Kunstwerke. Seit Jahrzehnten hat sich in dem Markt zum Beispiel der Hamburger Künstler Stefan Fink etabliert, der als Holzdrechsler altes Handwerk hochhält und für seine formschönen Füllfederhalter für Russpartikel-freie Tinte mehrfach ausgezeichnet wurde.
Der wohl teuerste Füllfederhalter der Welt, der «Fulgor Nocturnus» von Tibaldi kam im Jahr 2010 auf einer Wohltätigkeitsauktion im chinesischen Schanghai für 8 Millionen Dollar unter den Hammer.
«Stiller Luxus» als Statussymbol
Besonders kultur- und stilbewusste Menschen entdecken als Gegengewicht zur zunehmenden Digitalisierung die klassische Handschrift wieder. Es ist eine regelrechte Renaissance.
Edle Schreibgeräte sind dabei besonders unter Geschäftsleuten zu Statussymbolen geworden – fast vergleichbar mit den Luxusuhren um Patek Philippe, Audemars Piguet & Co.
Füllfederhalter weisen dadurch analog zu den Armbanduhren als «stiller Luxus» auf den gehobenen Status des Besitzers hin. Edelste Materialien, ausgeklügelte Technik und formschönes Design verstärken dabei die Begehrlichkeit.
Schweiz spielt mit
Besonders deutsche Hersteller haben sich dabei – auch in der Schweiz – einen Spitzenplatz in diesem Segment erobert, seit Daniel Schwenter schon im Jahre 1636 aus Altdorf bei Nürnberg eine Feder entwickelte, die bis heute in der Kalligrafie angewendet wird.
Deutsche Firmen punkten mit langer Tradition, hohen feinmechanischen Standards, Spitzenqualität und echter Handwerkskunst.
Schweizer Entwicklungen können interessierte etwa unter swiss-pen.ch nachvollziehen, wo ein leidenschaftlicher Sammler viele spannende Fakten und Schweizer Marken um «Aska», Dimmler «Monte Rosa» & Co. zusammengetragen hat.
Faber-Castell, Waldmann, Pelikan, ja selbst Caran d’Ache agieren in dem Markt. Das Familienunternehmen Caran d’Ache aus dem Kanton Genf ging mit seinem Füllfederhalter zu Ehren des spanischen Architekten Antonio Gaudí in die Geschichte ein, bei dem der Juwelier Robert Perron über 5000 Diamanten und 100 Rubine monatelang verbaute.
Schöne Wertanlagen
Montblanc ist ebenfalls ein wohlklingender Name in dieser Sparte und gehört trotz der Hamburger Firmenzentrale zum Genfer Richemont-Konzern.
Der Marktführer Montblanc brachte beispielsweise zusammen mit dem französischen Juwelier Van Cleef & Arpels, der ebenfalls zu Richemont gehört, bereits im Jahr 2007 die Edition Mystery Masterpieces in einer Gesamtauflage von nur 9 Exemplaren auf den Markt.
Die Füllfederhalter wurden in drei verschiedenen Versionen angeboten und reichlich mit hochwertigen Edelsteinen bestückt. Der Ausgabepreis betrug 565.000 Dollar. Derzeit werden sie schon für über 700.000 Dollar gehandelt.
Es zeigt sich, dass solche Luxusexemplare auch schöne Wertanlagen sind.
Storys sind gefragt
Bei diesen gehobenen Preisen spielen allerdings auch die dahinter stehenden Geschichten eine entscheidende Rolle.
Deshalb hat die Manufaktur Waldmann zwei Füllfederhalter-Editionen auf den Markt gebracht, in die Originalschriftstücke von Agatha Christie (38 Exemplare) und von Sherlock Holmes-Erfinder Arthur Conan Doyle (23 Exemplare) eingearbeitet sind.
Beide Editionen wurden zusammen mit der jungen Schweizerisch-deutschen Luxusmarke Sekrè entwickelt, die sich auf solche Original-Artefakte in Luxusgütern spezialisiert hat und an dem mehrere Finanzinvestoren sowie das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen beteiligt ist.
Die Füllfederhalter beider Editionen kosten 21.000 Dollar pro Stück.
Auch der Pen of the Year 2012 Diamanten-Edition aus 18-karätigem Gold von Graf von Faber-Castell ist mit einer Gesamtauflage von nur zehn Exemplaren äusserst rar und sein Ausgabepreis beträgt 80.000 Dollar je Stück.
Sanftes Kratzen als Erlebnis
Kapitalanleger verwenden ihre wertvollen und exquisiten Schreibwerkzeuge jedoch oft nicht in der Praxis. Denn dies hat analog zur Benutzung von Luxusuhren in der Regel eine hohe Wertminderung zur Folge.
Erfahrene Investoren bewahren ihre Luxusschreibgeräte daher originalverpackt im Tresor oder in einem Bankschliessfach auf, womit sie allerdings nicht mehr mit dem analogen Schreiben dem Trend der Digitalisierung entgegenwirken können.
In einer Welt, in der Finger über Touchscreens tanzen und die Blicke auf digitale Schriftzeichen gerichtet sind, bieten Luxusschreibgeräte eine willkommene Flucht in die sinnliche Welt des Handgeschriebenen.
Das sanfte Kratzen der Feder, das satte Aufsaugen der Tinte durch hochwertiges Papier – diese Erlebnisse sind wie Oasen der Sinnesfreude inmitten der hektischen Digitalisierung.
Die Renaissance der Luxusschreibgeräte ist mehr als nur ein Trend – es ist eine Bewegung, die zeigt, dass in der Hektik des Digitalen die Sehnsucht nach einem sinnlichen, handwerklichen Erlebnis weiterhin ungebrochen ist. Die hohe Nachfrage bleibt ein Zeugnis für die anhaltende Bedeutung des analogen Schreibens.
11.11.2023/kut.