Seit dem Ende des Bankgeheimnisses ziehen Kunden viele Gelder von Schweizer Banken ab und bringen sie nach Asien. Singapur ist einer der Hauptkonkurrenten und den beobachtet die Schweiz auf besondere Weise.
Die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter ist wahrscheinlich genau die richtige Person für das Point Zero Forum, das am heutigen Montag in Zürich eröffnet wurde und noch bis Mittwoch dauert.
Vorne freundlich, aber hinten knallhart, so könnte man Keller-Sutter ja schon charakterisieren.
Und genau dies passt auch zu der Veranstaltung, welche die Schweiz und der Stadtstaat Singapur nun schon zum zweiten Mal gemeinsam in Zürich organisieren.
Chancen und Risiken von KI
Beide Länder wollen an den Finanzmärkten nämlich weit vorne mitspielen und daher müssen sie auch schauen, was die Konkurrenz so treibt.
Das Beste ist, der Staat bringt da in angenehmer Atmosphäre viele Fintechs, Regulatoren und Zentralbanker zusammen, um über Innovationen und die Zukunft von Finance zu sprechen.
Die Hauptthemen drehen sich diesmal um die Chancen und Risiken der Digitalisierung sowie von Künstlicher Intelligenz KI im Finanzbereich. Es geht also tatsächlich um das Eingemachte und um den technologischen Vorsprung.
Details erklären
Damit die moderne Form der Industriespionage aber auch richtig funktioniert, braucht es natürlich noch etwas mehr.
Um genau herauszufinden, was die anderen so in der Pipeline haben, sind die Redner speziell aufgefordert worden, in Gesprächsrunden, Podiumsdiskussionen und an Runden Tischen möglichst ganz konkrete Beispiele zu bringen und die Dinge tiefgehend sowie detailgenau zu erläutern, wie Recherchen von muula.ch an der Veranstaltung ergaben.
Also bitte keine oberflächlichen Erklärungen, lautet die Losung.
Ideen sammeln
Die Aufgabe von Keller-Sutter war es nun, einerseits die Gäste zu begrüssen, also gute Stimmung zu verbreiten, aber man sei schon Konkurrenten, gab selbst die Finanzministerin zu.
Und andererseits musste sie auch zeigen, dass die Schweiz weltoffen ist.
Die Krise um die Skandalbank Credit Suisse sei gelöst, erklärte daher Keller-Sutter gleich zum Auftakt in schönstem Englisch. Das Land sei nunmehr also wieder offen für neue Themen.
Aus Keller-Sutters Finanzdepartement und angegliederten Institutionen um SIF, Finma & Co. sind daher auch gleich dutzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Tagung vertreten.
Jede noch so kleine Idee wird da sicher aufgesaugt.
Verluste absorbieren
Singapurs Vizepremierminister Heng Swee Keat war in seiner Ansprache konkreter als Keller-Sutter und wollte gleich mit einem Vierpunkteplan wissen, was die Schweiz im Finanzsektor künftig so vorhat.
Klar, braucht es da mehr als eine Paneldiskussion.
Doch die Singapurer sind auch in Heerscharen nach Zürich angereist.
Die Öffentlichkeit soll eine Vorstellung von der Veranstaltung haben, für welche die Schweiz eine Defizitgarantie von bis zu einer halben Million Franken gesprochen hat, wie muula.ch bereits gemeldet hat..
Pandemie-Risiken wieder vergessen
So ging es in dem Panel über künftige Risiken darum, was etwa die London Stock Exchange, die Zurich Insurance oder der Rückversicherer Swiss Re für neue Gefahren sehen und wie sich die Konzerne dafür wappnen.
Swiss-Re-Konzernchef Christian Mumenthaler erklärte beispielsweise, dass geopolitische Risiken seit dem Zweiten Weltkrieg wieder eine völlig neue Bedeutung bekommen hätten.
Gleichzeitig hiess es aber auch kritisch in Richtung der Staaten, dass viele Länder während der Pandemie grosses Interesse an einer Pandemieversicherung gehabt hätten.
Doch nun mit Beendigung der Corona-Pandemie sei kaum noch jemand an einer solchen gemeinsamen Lösung zwischen den Staaten und der Privatwirtschaft interessiert.
Das nächste Mal gebe es wieder Chaos, kritisierte Mumenthaler vor versammelter Finanzelite.
Zurich Insurance mahnt
Auch die anwesende Botschafterin der Ukraine in der Schweiz, Iryna Venediktova, musste Mumenthaler enttäuschen, als sie nach einer Versicherungslösung für ihr vom Krieg zerrüttetes Land fragte.
Wenn ein Risikoereignis von jemandem ausgelöst werden könnte, kann man solche Gefahren in der Regel nicht versichern, hiess es vom Swiss-Re-CEO.
Zurich Insurance ging noch aber noch ein Stück weiter.
Eine der grössten Herausforderungen der Zukunft sei die Ungleichheit der Menschen in der Gesellschaft.
Zwar gebe es zahlreiche Ansätze, die Differenzen zu minimieren, so Alison Martin, Zurich Insurance CEO EMEA & Bank Distribution. Doch eine konkrete Lösung zur Minimierung der Diskrepanzen gebe es keine.
SNB hält sich bedeckt
Thomas Jordan, der Präsident der Schweizerischen Nationalbank SNB, lancierte ein neues Pilotprojekt zu digitalem Zentralbankgeld an der Schweizer Börse SIX.
Das Projekt mit einer Central Bank Digital Currency, kurz CBDC, solle die Chancen und Risiken einer solchen Digitalwährung für Geschäftsbanken aufzeigen.
Was die Unterschiede zum bestehenden digitalen Franken an der SIX zwischen Geschäftskunden sein sollen, sagte er zwar nicht. Aber man muss sich auch nicht vollkommen in die Karten schauen lassen.
Letztlich ist es aber schon eine Neuerung, dass seine konservative Zentralbank digitales Geld ausgeben oder zumindest den Umgang damit testen will.
Für Private gibt es weiterhin keine Schweizer Digitalwährung. Das wäre wirklich eine Innovation gewesen. Doch soweit wollten Jordan und auch Keller-Sutter an der Fintech-Konferenz nicht gehen.
Letztlich ist es genau der Spagat, den Keller-Sutter verkörpert – vorne freundlich und hinten knallhart zu sein.
Also etwas präsentieren und doch nichts preisgeben. Denn die Konkurrenz schläft bekanntermassen nicht.
26.06.2023/kut.