
Den Wettbewerbshütern gefällt die Übernahme der Migros-Reisetochter Hotelplan durch den deutschen Dertour-Konzern nicht. Doch das verwundert.
Je kleiner man einen Markt definiert, irgendwann ist jeder Marktführer.
Genauso agieren die Schweizer Wettbewerbshüter quasi immer, wenn sie marktbeherrschende Stellungen untersuchen.
Anhaltspunkte gefunden
Haben Schweizer Konsumenten genügend Alternativen, um steigenden Preisen zu entrinnen, die aufgrund von Monopolstrukturen zwangsläufig entstehen?
Genau dieser Frage geht die Wettbewerbskommission (Weko) nun bei der Übernahme der Migros-Reisetochter Hotelplan durch den deutschen Dertour-Konzern nach.
Erste Abklärungen der Akquisition der Deutschen in der Schweiz hätten ergeben, dass Anhaltspunkte für eine marktbeherrschende Stellung bestünden, teilte die Weko am heutigen Dienstag auf Basis einer einmonatigen Prüfung etwas vage mit.
Aufstieg zum Marktführer
Dertour und Hotelplan seien schliesslich zwei der grössten Reiseveranstalter der Schweiz und würden zum Marktführer aufsteigen, hiess es weiter.
Die Weko hat nun vier Monate lang Zeit, die Übernahme vertieft zu analysieren.
Hotelplan tritt am Markt unter anderem mit den Marken Hotelplan, Migros Ferien, travelhouse und tourisme pour tous auf. Dertour ist in der Schweiz mit den Marken helvetic tours und Kuoni tätig.
Zudem betreiben die beiden Reiseanbieter, die nun zur deutschen Rewe-Gruppe gehören, gemeinsam über mehr als 150 Reisebüros in der Schweiz.
Die Migros hatte sich aufgrund einer neuen Strategie entschieden, dass das Reisegeschäft grössere Skaleneffekte bräuchte und damit der «Orange Riese» nicht mehr als Eigentümer infrage kam, wie muula.ch berichtete.
Potenzieller Wettbewerb?
Mit der vertieften Prüfung will die Weko unter anderem die Frage klären, ob Reisewilligen in der Schweiz mit der Selbstbuchung direkt bei Hotels und Fluggesellschaften oder über Online-Plattformen ausreichende Alternativen zur Verfügung stehen, um möglicherweise steigenden Preisen entgegenzuhalten.
Es werde auch geprüft, welchen Einfluss die digitalen Reiseangebote auf den aktuellen und potenziellen Wettbewerb auf den Märkten haben, so die Wettbewerbshüter.
Internet lässt grüssen
Dies überrascht, weil Schweizer gemütlich über die Grenzen nach Deutschland, Frankreich oder Italien fahren könnten, und in ausländischen Reisebüros die gleichen Reisen meist viel günstiger bekämen.
Über das Internet, dessen Nutzung heutzutage für Verbraucher, die es in ferne Länder zieht, zur Normalität geworden ist, sind günstigere Reisebuchungen selbstverständlich auch möglich.
Für den Kauf ihrer Ferienreisen müssten Schweizer also nicht einmal aus dem Haus gehen. Alternativen gibt es quasi «en masse».
Über Missstände hinwegsehen
Doch die Vorgehensweise der Weko überrascht noch aus einem anderen Punkt.
Die Schweizer Wettbewerbsbehörde ist auf zahlreichen anderen Märkten quasi völlig blind für marktbeherrschende Stellungen.
So dürften beispielsweise die Detailhändler Migros und Coop generell dazugehören. Rechtskräftige Entscheide wegen Wettbewerbsvergehen vermeiden die Anbieter aber stets, indem sie sich rasch mit der Weko hinter verschlossenen Türen einigen, wie muula.ch berichtete.
Eine Prüfung des Zusammenschlusses der Versicherer Helvetia und Baloise, welche den ohnehin schon stark konzentrierten Schweizer Versicherungsmarkt weiter zusammendampfen, interessiert die Wettbewerbshüter bisher auch überhaupt nicht.
Horrende Flugpreise auf Monopolstrecken
Und beim Thema Reisen klagen die nun betroffenen Veranstalter regelmässig, dass etwa die Fluggesellschaften um Swiss, Lufthansa & Co. auf Strecken, wo sie Monopolanbieter sind, die Konsumenten regelrecht bei den Preisen über den Tisch zögen.
Doch die Wettbewerbshüter «zoomen» dann ihre Sichtweise aus dem Markt auf eine Vogelperspektive heraus und konzentrieren sich nicht auf einzelne Strecken.
Zudem findet die Weko dann mit Autos, Zügen & Co. passende Alternativen, welche den Schweizer Konsumenten zumutbar wären, um steigenden Monopolpreisen auszuweichen.
Denn je kleiner man einen Markt definiert, ist jeder irgendwann Marktführer. Aber manchmal beugt sich die Weko eben nicht so tief darüber.
27.05.2025/kut.