Der Niedergang der Schweizer Schuhindustrie war nur eine Frage der Zeit. Der Tod auf Raten lag sicher in falschen Managemententscheiden, wie das jüngste Opfer zeigt.
Der Schweizer Schuhhersteller Fretz Men hat nach rund 120 Jahren der Existenz den Entscheid getroffen, aufzugeben. Die Schuhproduktion für die anstehende Saison würde noch ausgeliefert und dann der Geschäftsbetrieb gegen Ende Juni 2023 eingestellt, berichtete die «NZZ» am Mittwoch.
Bestände würden noch abverkauft und das war es dann für den letzten grösseren Schweizer Schuhproduzenten, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1903 zurückreichen.
Nur Verluste
Hauptursache für den Schliessungsentscheid sei der Umstand, dass sich die Fertigung in der Schweiz nicht mehr kostendeckend betrieben werden konnte, hiess es weiter. Der CEO des Traditionsunternehmens, Vinzenz Lauterburg, erklärte gegenüber dem Blatt, dass schon in den vergangenen zehn Jahren ein zweistelliger Millionenbetrag verlorengegangen sei.
Rettungsmassnahmen, wie die Einstellung der Damen-Kollektion, die Konzentration auf die Entwicklung neuer Modelle in einem kleinen Atelier im aargauischen Stammhaus in Fahrwangen und die vollständige Verlagerung der Produktion im Jahr 2020 nach Indien und Italien, hätten alle nicht gefruchtet.
Schwieriger Vertrieb
Letztlich gab bei dem Familienbetrieb die Coronavirus-Pandemie mit den vielen geschlossenen Schuh-Fachgeschäften, dem wichtigsten Absatzkanal von Fretz Men, den Todesstoss.
Ein Verkauf oder die Lizenzierung der Marke Fretz seien mangels Interessenten gescheitert, schrieb das Zürcher Blatt weiter.
Die Strategie, im hart umkämpften Schuhmarkt eine Nische im Preissegment zwischen 120 und 190 Franken mit solider Qualität zu besetzen, ist damit letztlich gescheitert. Die Kostenstruktur mit Fertigung in der Schweiz war offenbar viel zu hoch.
Verzögerung von Massnahmen
Das Management und die Familienbesitzer wollten sich dies wohl viel zu lange nicht eingestehen und haben notwendige Anpassungen offenbar viel zu spät ergriffen. Mit der Coronavirus-Pandemie bekamen sie dann keine Kurve mehr.
Als Gegenbeispiel kann die Schweizer Sportschuh-Marke On aufgeführt werden, die grossen Marken wie Adidas, Nike & Co. deutlich Paroli bietet, aber bloss das Design in der Schweiz fertigt.
Die Schweizer Schuhindustrie im Niedergang hat mit Fretz nun einfach bloss ein weiteres Opfer gefunden. Unlängst verkaufte bereits eine andere Besitzerfamilie die Traditionsmarke Kandahar aus dem Berner Oberland wegen Ertragsproblemen.
Nur Luxus funktioniert
Im Jahr 2021 hatte die thurgauische Unternehmerfamilie Karl Müller die Aktivitäten um Kandahar übernommen und versucht, mit den zwei bestehenden Schuhmarken Kybun und Joya in Sennwald im St. Galler Rheintal weiterhin auf eine Schweizer Schuhproduktion zu setzen.
Dies wird wohl bloss in einem Luxussegment gelingen. Die Preise bei Kybun liegen mit über 300 Franken pro Paar aber fast doppelt so hoch als bei Fretz.
1600 Paar pro Tag
Für die breite Masse scheint damit der Zug einer Schweizer Schuhproduktion endgültig abgefahren zu sein.
Fretz Men produzierte in den besten Zeiten bis zu 1600 Paar Schuhe pro Tag und dafür müssen Hersteller aber auch genügend Abnehmer zu einem Preis finden, der Gewinn abwirft und damit die Existenz sichert.
28.12.2022/kut.