Die bekannteste Uhrenmarke der Welt Rolex ist sehr verschwiegen. Doch nun räumt ein Buch mit vielen Mythen auf.
«Der Einfallsreichtum des US-Marketings traf quasi auf den Schöpfergeist der Schweizer Uhrmacherkunst».
So beschrieb Wirtschaftshistoriker Pierre-Yves Donzé das Geschäftsgeheimnis der Luxusuhrenmarke Rolex im Interview mit der «SonntagsZeitung».
Erfolg als Narrativ
Aus Sitzungsprotokollen der 1950er Jahre gehe hervor, dass die US-Werbeprofis zu Rolex gesagt hätten: «Hört auf mit eurer Technik, sprecht in der Werbung lieber über die Konsumenten» und daraufhin sei Rolex zu einem Produkt geworden, das für erfolgreiche Menschen stehe.
Die Vertreter von Rolex wollten in der Werbung lieber die technischen Vorzüge der Uhren hervorheben, doch die Amerikaner der New Yorker Werbeagentur J. Walter Thompson verpassten der Marke das Erfolgsnarrativ, hiess es weiter.
Die Amerikaner behielten letztlich recht, denn von Albert Einstein über Paul Newman, den Dalai Lama und Elvis Presley bis hin zu Fidel Castro trugen alle Rolex um die Modelle Submariner, Daytona, Datejust & Co.
Begriff erinnert an Exzellenz
Der Erfolg der Luxusuhrenmarke, die von dem Deutschen Hans Wilsdorf ins Leben gerufen worden war, habe aber auch mit dem Namen zu tun, um den sich viele Mythen reihen.
«Es war kein genialer Geistesblitz, wie es die offizielle Firmengeschichte gerne verbreitet», erklärte der Geschichtsprofessor weiter. Erst das Publikum habe dazu beigetragen, dass Rolex als Markenname funktionierte und sich durchsetzte, betonte er.
«Es hat wohl damit zu tun, dass sich der Begriff in vielen Sprachen gut aussprechen lässt und im Englischen vom Wortklang her an den Begriff Exzellenz erinnert», führte Donzé weiter aus.
Anregen der Fantasie
Rolex sei nicht einfach eine Uhr, sondern habe es geschafft, Einzigartigkeit zu inszenieren, sagte der Experte weiter, der gerade ein neues Buch über die Uhrenfirma geschrieben hat.
«Es geht um die Exzellenz von Firmengründer Wilsdorf und die Exzellenz der Menschen, die eine Rolex tragen», betonte er.
Das Konzept sei in den 1960er Jahren entstanden und seither unverändert geblieben. Es rege die Fantasie an.
Dies belegt im Prinzip bis heute, weshalb sich Neureiche und etwa Krypto-Millionäre gerne mit einer Rolex zeigen.
Mit Martin Ebner in einem Boot
Und auch über die Finanzen der sonst sehr verschwiegenen Firma, die der Hans Wilsdorf Stiftung gehört, brachte der Wirtschaftshistoriker mit dem Fokus auf Industriegeschichte etwas in Erfahrung.
«Rolex verdient so viel Geld, dass das Unternehmen die Erträge ausserhalb seines angestammten Uhrengeschäfts investiert», sagte er. Dazu gehörten Immobilien und Investmentfirmen, wie die Rolex Holding.
Pierre-Eves Donzé: La fabrique de l’excellence. Histoire de Rolex. Editions Livreo-Alphil, Neuchâtel 2024. 300 S., Fr. 33.00.
In den 1990er Jahren habe dies in Genf sogar für einen kleinen Skandal gesorgt, weil bekannt geworden war, dass Rolex in Finanzfirmen des Bankiers Martin Ebner investiert hatte sowie indirekt an Pharmaunternehmen beteiligt gewesen war.
Stärken der Vertriebskraft
Im Jahr 2008 während der Finanzkrise musste aber Finanzchef Bruno Meier das Steuer vom damaligen Firmenboss Patrick Heiniger übernehmen, weil es wohl um genau diese Finanzinvestitionen schlecht stand und nicht um die Luxusuhren beziehungsweise um Industriebelange ging.
Mittlerweile stärkt der Rolex-Konzern nicht mehr nur seine Fertigungstiefe um Uhrwerke, Gehäuse oder Zifferblätter, sondern auch den Vertrieb.
Die Übernahme des langjährigen Vertriebspartners Bucherer, über die auch muula.ch berichtete, sei ein erster Schritt dazu, hiess es weiter.
«Ich gehe davon aus, dass sie weitere Firmen aus diesem Bereich übernehmen werden, wenn sich eine gute Gelegenheit dazu ergibt», machte Geschichtsexperte Donzé klar.
Erfolgreiche Kombination
Rolex kommt auf einen geschätzten Umsatz von rund 10 Milliarden Franken pro Jahr und lebt jedoch von all diesen Mythen sowie von der Einzigartigkeit.
Dies kommt eben heraus, wenn US-Marketingexpertise auf Schweizer Präzessionstechnologie trifft.
Die Schweiz sollte daher vielleicht noch mehr auf Kombinationen mit den USA setzen.
21.04.2024/kut.