Selten war eine Volksabstimmung so konfus, wie jene zur aktuellen Reform Efas. Die Statistiker liefern nun aber neues Material für ein «Nein».
Eidgenössische Volksabstimmungen stehen und fallen normalerweise entlang der politischen Lager.
Doch bei der anstehenden Abstimmung zur «Einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen Efas» ist dem nicht so.
Starke Kostensteigerung
Die Gewerkschaften ergriffen das Referendum gegen die Reform, doch viele Linke stimmen eigentlich dafür.
Die SVP-Basis will nicht mit den Gewerkschaften auf einer Seite stehen und will bei «Efas» daher ein «Nein». Doch die Oberen der Schweizerischen Volkspartei legen sich für ein «Ja» ins Zeug.
Bei so viel Konfusion platzte am heutigen Dienstag auch noch das Bundesamt für Statistik BFS mit einer brisanten Statistik herein.
Die Kosten der Alters- und Pflegeheime sowie der Spitex-Dienste seien 2023 stark gestiegen, lautete schon der Titel der Medienmitteilung.
Viel Mehr Pflege nötig
Die Kosten der Alters- und Pflegeheime legten gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent zu, hiess es. Bei der Hilfe und Pflege zu Hause, also dem Spitex, ging es bei den Ausgaben sogar um 7 Prozent nach oben.
Zusammengenommen beliefen sich die Kosten auf 15 Milliarden Franken und hätten damit das stärkste Wachstum des vergangenen Jahrzehnts verzeichnet, erklärte das BFS.
Die Bewohner von Alters- und Pflegeheimen benötigten noch nie so viel Pflege wie 2023, mahnten die Statistiker.
Für jede beherbergte Person wurden demnach durchschnittlich 110 Pflegeminuten pro Tag aufgewendet, was einem Plus von 4 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 entspricht.
Der gleiche Trend zeigt sich auch bei den Spitex-Diensten: Im Jahr 2023 nahm jeder Klient durchschnittlich 56 Pflegestunden in Anspruch, was einen Zuwachs von 6,3 Prozent gegenüber 2022 bedeutet.
Spitex-Ausgaben explodieren
Die monatlichen Kosten für einen Aufenthalt in einem Alters- und Pflegeheim stiegen laut dem BFS um 309 auf 10.446 Franken.
Als Folge der erhöhten Pflegeleistungen im Spitex-Bereich erhöhte sich der pro Jahr in Rechnung gestellte Betrag um aussergewöhnliche 14 Prozent auf 5565 Franken pro betreute Person.
Angesichts der Steigerungen in nur einem Jahr dürfte vielen Menschen schwummerig werden.
Nun, was hat das mit der «Efas»-Abstimmung zu tun? Genau dort entledigen sich die Kantone den Risiken um die Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex.
Obergrenze wird fallen
Sieben Jahre nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, über das nunmehr am 24. November abgestimmt wird, soll die Langzeitpflege nämlich zu knapp drei Vierteln durch die Krankenkassenprämien finanziert werden.
Bisher zahlen die Kantone im Schnitt 46 Prozent. Und wenn die Kosten, wie jetzt vom BFS derzeit beobachtet, künftig so exorbitant steigen, dürfte es die Prämienzahler hart bei dem Thema treffen.
Derzeit ist der Eigenanteil der Menschen an die Pflege auf 20 Prozent begrenzt. Künftig werden alle zur Kasse gebeten.
Schade um sinnvollen Teil
Nun kann man durchaus die Frage stellen, warum das von SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider geführte BFS just vor einer Abstimmung mit dieser Statistik an die Öffentlichkeit tritt.
Klar, will sie ihrem Freund Pierre-Yves Maillard, dem Gewerkschaftsboss, bei seiner Abstimmungskampagne zu einem «Nein» verhelfen.
Schade bei einer Ablehnung der Vorlage ist, dass die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen durch Kantone und Prämienzahler mit «den Bach hinunter» geht.
Weil immer mehr medizinische Eingriffe ambulant durchgeführt werden können, entziehen sich die Kantone der Finanzierung dieses Trends.
Sie zahlen derzeit nur gut die Hälfte bei Spitalaufenthalten, aber nichts für ambulante Behandlungen in den Kliniken.
Schweiz ist reformmüde
Befürworter der Efas-Reform argumentieren, dass der Kostenschlüssel bei der Langzeitpflege in vielen Jahren auch nochmals durch Ergreifung des Referendums geändert werden könnte, falls er zu einseitig die Menschen in diesem Land negativ treffe.
Doch wer sieht, dass die erste Gesundheitsreform des KVG von 1996 fast zwölf Jahre auf sich warten liess, wird sich kaum auf solch ein Abenteuer einlassen.
Ein einmal ausgerichtetes System kann in der Schweiz nur sehr schwer wieder geändert werden.
Insofern sind die Entwicklungen der Pflegekosten in einer stark alternden Gesellschaft ein triftiges Gegenargument bei der aktuellen Gesundheitsreform.
Kantone umgestimmt
Und wer sich wundert, wie die Langzeitpflege in die Abstimmungsvorlage gekommen ist, der muss die Linken fragen.
Denn sie haben das Thema da hineingebracht, um die Kantone überhaupt zur einheitlichen Finanzierung der stationären und ambulanten Kosten zu bewegen.
Logischerweise waren die Kantone anfangs allesamt gegen einen Änderungsvorschlag.
Subventionierung von Reichen
Nun bekämpfen die Linken aber genau diese Vorlage und kritisieren hauptsächlich die Unsicherheiten bei den Kosten der Langzeitpflege für die Prämienzahler.
Die SVP-Oberen um Christoph Blocher & Co. haben da sicher schon den Champagner kaltgestellt.
Bei einem «Ja» zu Efas beteiligen sich nämlich die Armen in diesem Land über die KVG-Kopfpauschalen schon bald nicht mehr nur an ihren Fusspilzbehandlungen, sondern auch an deren Langzeitpflegekosten.
Die SVP-Basis will dazu lieber keine Hand reichen.
Nie war es bei einer Abstimmung also wohl so konfus entlang der politischen Lager.
12.11.2024/kut.