Schweiz will Kriegsmaterial wieder zuverlässig exportieren

Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski
Bundespräsidentin Viola Amherd zeigt dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski ihre Uhr. (Bild: PD EDA)

Die Schweiz gerät aufgrund ihrer Neutralität stets in eine Zwickmühle, wenn es um Rüstungsexporte geht. Doch dies will der Bund nun ändern.

Mit dem Ausbruch der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine ist ein altes Problem der Schweiz wiederaufgeflammt.

Es geht um die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen und dies will der Bundesrat nun ein für alle Mal lösen.

Ablehnen der Gesuche

In Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine ersuchten Deutschland, Spanien und Dänemark die Schweiz um Erlaubnis, Kriegsmaterial Schweizerischer Herkunft an die Ukraine weiterzuleiten.

Das Neutralitätsrecht umfasst neben dem Verbot staatlicher Waffenlieferungen an Kriegsparteien vor allem ein Verbot, eine Kriegspartei militärisch zu begünstigen.

Eine Zustimmung zur Wiederausfuhr durch die Schweiz an eine Kriegspartei würde im Ukraine-Fall aber eine militärische Begünstigung einer Kriegspartei darstellen, weshalb der Bundesrat alle Gesuche ablehnte.

Klausel einfach streichen

Dann gab es aber Streit im Bundeshaus, ob die Schweiz überhaupt ein verlässlicher Partner für westliche Länder sei.

FDP-Chef Thierry Burkhart wollte daher zum Beispiel das Kriegsmaterialgesetz sogar so ändern, dass auf eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung vollständig hätte verzichtet werden können.

Klar, es hängen – wie immer bei der Schweiz – wirtschaftliche Interessen daran.

Über 100.000 Arbeitsplätze

So erwirtschafteten die Schweizer Hersteller von Rüstungs- und Dual-Use-Gütern laut einer Studie der BAK Economics von 2023 eine Wertschöpfung von 35 Milliarden Franken, mit der 137.000 Arbeitsplätze verbunden sind.

Diese Zahlen beinhalten die Herstellung von Rüstungsgütern, also etwa Kriegsmaterial und besondere militärische Güter, aber auch die Herstellung von sogenannten Dual-Use-Gütern, also Produkten, welche sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können.

Man muss sich das vorstellen, dass etwa eine mechanische Schweizer Luxusuhr zu einem Zünder für Waffen leicht umgebaut werden könnte.

Für die Schweizer Rüstungsindustrie beläuft sich die Wertschöpfung auf 2,3 Milliarden Franken und die Zahl der Arbeitsplätze auf rund 14.300.

Wachsenden Markt ignorieren

Das Unverständnis und die Verärgerung über die ablehnende Haltung der Schweiz betreffend Wiederausfuhr äussert sich in vermehrten Drohungen europäischer Länder, keine Rüstungsgüter aus der Schweiz mehr zu beschaffen.

Die Auswirkungen eines solchen Szenarios auf die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB) seien beträchtlich, warnte der Bundesrat am Freitag in einem Bericht.

Dies vor allem angesichts der aktuell stetig steigenden Militärausgaben westlicher Regierungen, was heisst, dass das Geschäft ein wachsender Markt ist.

Souveränität wahren

Somit laufe die Schweiz direkte Gefahr, von den Wertschöpfungsketten im Bereich Verteidigung und Technologieentwicklung ausgeschlossen zu werden, was nicht nur volkswirtschaftliche Auswirkungen nach sich ziehe, sondern auch Konsequenzen für die Versorgung der Armee und für die Sicherheitspolitik des Landes habe.

Der Bundesrat argumentierte zudem, dass nicht der gesamte Ausrüstungsbedarf der Armee im Inland abgedeckt werden kann, es aber wichtig sei, über gewisse Schlüsseltechnologien zu verfügen, um vollständig einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und eine gewisse Souveränität zu wahren.

Rund 85 Prozent seien problemlos

Nun schlägt die Landesregierung vor, dass die – hauptsächlich westlichen – Länder, die Schweizer Kriegsmaterial erworben haben, dieses fünf Jahre nach Unterzeichnung der Erklärung zur Nichtwiederausfuhr exportieren dürfen.

Der Entwurf, der noch bis Oktober in Vernehmlassung ist, bewege sich im vom Neutralitätsrecht vorgegebenen Rahmen, hiess es am Freitagabend aus der Bundeskanzlei.

Rund 85 Prozent der Schweizer Exporte gehen laut dem Vernehmlassungsbericht ohnehin an Länder gleicher Wertvorstellungen.

Industrie aufrechterhalten

Die zeitliche Befristung der Nichtwiederausfuhr-Erklärungen auf fünf Jahre könnte daher die wichtigsten Partner der Schweiz beschwichtigen und der Erosion der Technologiebasis entgegenwirken, so die Überlegungen.

«Die Einführung dieser Frist würde es zudem erlauben, im Inland eine an die Bedürfnisse der Schweizer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrechtzuerhalten und die aussenpolitischen Interessen der Schweiz zu wahren», schrieben die Verantwortlichen im Beibrief.

Ländern, welche die Werte der Schweiz teilten, erhielten die Möglichkeit, ihre Politik im Bereich der Kriegsmaterialausfuhr an das veränderte aussen- und sicherheitspolitische Umfeld anzupassen.

Schliesslich stellte 24. Februar 2022 sicherheitspolitisch eine Zäsur dar, als Russland die Ukraine völkerrechtswidrig angriff.

30.06.2024/kut.

Schweiz will Kriegsmaterial wieder zuverlässig exportieren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert