
Die Schweiz und die EU haben sich auf ein Verhandlungspaket verständigt. Doch vieles gilt, noch bevor sich das Schweizer Volk dazu überhaupt äussern kann.
Bilaterale I, Bilaterale II, Bilaterale III oder doch das Freihandelsabkommen von 1972 – was gilt nun zwischen der Schweiz und der EU eigentlich?
Genau dies ist unklar, zumal die EU mit der Schweiz ein neues Verhandlungspaket mit vielen zeitlichen Vorbezügen ausgehandelt hat.
Zwei Seiten statt über 1800
Daher wollen am heutigen Dienstag der Schweizer Aussenminister und FDP-Bundesrat Ignazio Cassis mit dem EU-Kommissar Maroš Šefčovič in Brüssel eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen.
Dies teilte die Administration am Montagabend mit.
Wer jedoch die Erklärung von EU-Turbo Cassis liest, sieht, dass es das komplizierte Vertragspaket Schweiz – EU eigentlich gar nicht braucht.
Statt auf über 1800 Seiten Verhandlungstext, geht eine Übereinkunft zwischen der Schweiz und der EU auch auf zweieinhalb Seiten.
Alles ohne Abkommen gültig
«Die Schweiz und die Europäische Union sollten eng und nach Treu und Glauben zusammenarbeiten, um das gute Funktionieren der bestehenden bilateralen Abkommen in den Bereichen betreffend den Binnenmarkt, an denen die Schweiz teilnimmt, sicherzustellen», hiess es beispielsweise simpel.
Im Strombereich sollten die Schweiz und die EU auch ohne ein Stromabkommen alle erforderlichen Massnahmen zur Sicherstellung der Betriebssicherheit ergreifen, führten die Vertragsparteien trocken aus.
Im Bereich der Gesundheit sollten die Schweiz und die EU auch ohne ein Gesundheitsabkommen weiterhin alle notwendigen und angemessenen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ergreifen, hiess es weiter.
«Dazu sollten gegebenenfalls auf Ad-hoc-Basis gegenseitige Vereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union auf technischer Ebene getroffen werden, wenn schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren bestehen», erklärten die Vertragspartner unkompliziert.
Falls es ein Problem gibt, einigt man sich eben diesbezüglich.
Ohne Segen des Volkes
Für die Zeitspanne ab Ende 2024 bis zum Inkrafttreten des Pakets haben sie den Umfang ihrer Zusammenarbeit und Partnerschaft ohnehin schon festgelegt.
Ohne Volksabstimmung gilt die vollständige Aktivierung der Übergangsregelung im Bereich Forschung und Innovation sowieso schon rückwirkend ab 1. Januar 2025 zwischen Bern und Brüssel.
Unterzeichnet werden soll das Ganze aber schon im November 2025 – auch ohne die eigentliche Zustimmung des Schweizer Volkes.
Vorauseilender Gehorsam
Die restlichen Abkommen, Protokolle und Erklärungen Schweiz-EU würden voraussichtlich im ersten Quartal 2026 unterzeichnet, teilte die Berner Administration überraschend mit.
Voraussichtlich ebenfalls im ersten Quartal des kommenden Jahres werde der Bundesrat die Botschaft zum Paket Schweiz-EU zuhanden des Parlaments verabschieden, hiess es weiter.
Obwohl damit die Situation der Schweiz mit der EU eigentlich in der Schwebe ist, gilt alles schon einfach mal.
Und lehnt das Schweizer Volk das Ganze ab, ist völlig unklar, was eigentlich von Bilateralen I, II und III beziehungsweise vom Freihandelsabkommen des Jahres 1972 gilt.
24.06.2025/kut.