Asbest, Quecksilber, Dioxin oder etwa Radium gefährden die Schweiz. Die Finanzprüfer entdecken enorme Risiken bei krebserregenden Stoffen.
Die Bundesverfassung regelt eigentlich, dass Mensch und Umwelt vor gefährlichen Stoffen zu schützen sind.
Doch pickt man mal sechs gefährliche Stoffe heraus, die meist krebserregend, erbgutschädigend oder fortpflanzungsgefährdend sind, kommt Erstaunliches zu Tage.
Kein Überblick vorhanden
Genauso hat es nämlich die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK getan und die wichtigen Resultate in einem Bericht publiziert, der am Dienstag öffentlich wurde.
Demnach fehlt der Schweiz ein Überblick, wo, welche problematischen Stoffe in was für einer Konzentration überhaupt vorkommen, teilten die Finanzprüfer mit.
Die Prüfungsergebnisse stützten sich auf Fallstudien, welche die EFK für gefährliche Stoffe, wie Asbest, polychlorierte Biphenyle (PCB), Dioxine, per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (kurz PFAS), Quecksilber und Radium, durchgeführt hat.
Bund missachtet Verfassung
Die Zuständigkeiten bei solchen Materialen seien zwar definiert und sinnvoll, hiess es zunächst positiv.
Es fehlten jedoch Grundlagen, um das Ausmass des Vorkommens von problematischen Stoffen in der Umwelt und im Menschen umfassend festzustellen.
Der Bund könne das aus der Verfassung abgeleitete Vorsorgeprinzip somit nur unzureichend umsetzen, lautete das vernichtende Urteil der EFK.
Hohes Risiko identifiziert
Ein Monitoringsystem, das problematische Stoffe in allen Umweltmedien und beim Menschen repräsentativ beobachtet, sei notwendig.
Das volkswirtschaftliche Risiko sei hoch und sollte systematisch ermittelt werden, hiess es im Gesamtbericht kritisch.
Wie wichtig das Thema ist, zeigt der Kanton St.Gallen am heutigen Mittwoch, wo Proben gezeigt haben, dass die Böden mit PFAS belastet sind und die Giftstoffe auch in Milch, Eiern sowie im Fleisch nachgewiesen werden konnten.
Betroffene Einheiten pikiert
Für den Schutz der Umwelt und den Schutz der Gesundheit vor Schadstoffbelastungen über die Umwelt ist das Bundesamt für Umwelt BAFU und für den Schutz der Gesundheit das Bundesamt für Gesundheit BAG sowie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zuständig.
Für den Schutz der landwirtschaftlichen Kulturen zeichnet das Bundesamt für Landwirtschaft und für den Schutz der Arbeitnehmer das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco verantwortlich.
Alle betroffenen Behörden reagierten aber eingeschnappt mit fast gleichlautenden Stellungnahmen auf die EFK-Befunde.
Sie gelobten zumindest, die Resultate zu prüfen, hiess es.
Neue Risiken ignoriert
Den Finanzprüfern fielen aber noch zwei Aspekte bei dem Thema auf, die durchaus wichtig sind.
Bei der europäischen Chemikalienagentur registrierte Stoffe können in der Schweiz direkt, ohne Anmeldung in den Verkehr gebracht werden.
Zum Zeitpunkt der Anmeldung eines Stoffs in der Schweiz nähmen die Verwaltungseinheiten zwar eine Risikoanalyse vor.
Werden bei einem Stoff nach der Anmeldung oder nach dem Inverkehrbringen problematische Eigenschaften entdeckt, löse dies aber kein systematisches Screening der sich in Verkehr befindlichen Stoffe nach jenen mit gleichem ökotoxikologischem Profil aus, mahnte die EFK.
Das ist also ein weiteres Risiko. Schweizer Beamte verlassen sich da offenbar zu sehr auf die EU.
Kosten falsch verteilt
Und zweitens ergreift der Bund risikoorientiert stoffspezifische Massnahmen, bei denen für die Finanzierung das Verursacherprinzip gilt.
Die Fallstudien zeigten allerdings, dass beispielsweise bei der Sanierung kontaminierter Standorte die Allgemeinheit und die Eigentümerschaft für die Finanzierung aufkommen.
Die Hersteller und Importeure beteiligten sich nur marginal an den Kosten für die Behebung der entstandenen Schäden.
«Die Anwendung des Verursacherprinzips sollte deshalb geschärft werden», forderten die Finanzprüfer bei Toxinen und anderen gefährlichen Stoffen.
28.08.2024/kut.