
Der Staatsbetrieb Ruag hat Geschäfte mit 100 Panzern gemacht, die bis zum Himmel stinken. Die Schweiz tritt das Problem fast gänzlich an Deutschland ab.
Die Zustände in Schweizer Rüstungsindustrie lassen zu wünschen übrig.
Vorbei an allen Gremien
Die Ruag kaufte im Jahr 2016 für 4,5 Millionen Euro von der italienischen Armee 100 gebrauchte Leopard1-Panzer inklusive einer grossen Anzahl von Ersatzteilen.
Sowohl beim Kaufvorvertrag als auch beim Kaufvertrag hat Ruag ihre eigenen Kompetenz- und Unterschriftenregelung nicht eingehalten und eine formelle Genehmigung durch die Konzernleitung sowie den Konzernverwaltungsrat fehlten, wie die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK in einer Untersuchung herausfand.
Der Kaufvertrag ist in keinen Protokollen der übergeordneten Ruag-Hierarchien und in keinen Protokollen mit dem Bund als Eigner erwähnt.
Vier Stück gingen an Lagerfirma
Seit 2017 lagerte die Ruag die von den Italienern erworbenen Leopard1-Panzer bei der Firma Goriziane in Italien.
Von 2018 bis 2020 erzielte RUAG durch ihre Gesellschaft in Deutschland zirka 4 Millionen Franken an Umsatz mit den Ersatzteilen, und der Logistikanbieter Goriziane erwarb vier Panzer von Ruag.
Um die Exportformalitäten kümmerte sich Goriziane und den Umsatzerlös teilten sich die Ruag Schweiz und Ruag Deutschland im Verhältnis 60 zu 40.
Damit hatte die Schweiz aber schliesslich noch 96 Kampfpanzer in ihrem Inventar.
Millionennachzahlung von Mehrwertsteuer
Obwohl das Lager in Italien der Ruag Schweiz gehört, unterschrieb Ruag Deutschland Anfang 2021 einen Vertragszusatz mit Goriziane, worin sie betriebswirtschaftlich völlig unsinnig den Betrag für die monatliche Lagermiete für acht Jahre unkündbar mehr als verdreifachte.
Das Schweizer Verteidigungsdepartement VBS erfuhr von den italienischen Panzern erst im Jahr 2022, als dafür 3,4 Millionen Franken an Mehrwertsteuer nachgezahlt werden mussten.
Andere Bank verwendet
Dubios am ursprünglichen Panzerkauf mit den Italienern ist auch eine Kommission ohne Vertragsgrundlage von 90.000 Euro an einen Agenten, die 2 Prozent der Kaufsumme ausmachte.
Als Kontoverbindung für den Panzer-Deal nannte das italienische Verteidigungsdeparement im Kaufvertrag auch den Hauptsitz der UBAE-Bank (Unione di Banche Arabe ed Europee) in Rom.
Doch die Ruag wickelte alle Zahlungen merkwürdigerweise via ein Konto bei der ältesten Bank der Welt, der Banca Monti Paschi di Siena, ab. Warum, ist noch völlig unklar.
Hickhack um Teilverkauf
Dann kommt die Firma Global Logistics Support (GLS) ins Spiel, die Ende 2019 von der Ruag 25 Panzer a 500 Euro erwarb und die 12.500 Euro am 16. März 2020 bezahlte. Doch GLS holte die Panzer nie in Italien ab.
Ende 2021 überwies Ruag daher den Kaufpreis für die 25 Panzer zurück an GLS, die laut dem deutschen eBundesanzeiger von Christoph Speith und Ralf Miethke geführt wird und im Jahr 2021 mit rund 26 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 28 Millionen Euro erwirtschaftete.
Zahlreiche Verteidigungskräfte der Nato, assoziierte Staaten sowie die Nato Maintenance an Supply Agency Namsa zählen demnach zur Kundschaft von GLS.
Doch am 13. Februar 2023 – am gleichen Tag, an dem Ruag mit der deutschen Firma Rheinmetall für die 96 Panzer inklusive Ersatzteile einen Verkaufsvertrag unterzeichnete – bezahlte GLS den Betrag für die 25 Panzer erneut an Ruag zurück und bekräftigte den Eigentumsanspruch mit einem Anwaltsschreiben.
Merkwürdiges Vorgehen
Zuvor hatte Ruag mit der Firma GLS einen alten Distributionsvertag aufgehoben, obwohl dieser eine einfache Kündigungsfrist von 6 Monaten vorsah.
Die Aufhebungsvereinbarung vom November 2019 garantierte GLS aber mindestens 500.000 Euro für Verkäufe bis Ende 2023 und hat erhebliche, nachteilige finanzielle Folgen für die Ruag, wie die Schweizer Finanzprüfer rügten.
Rheinmetall kauft für Ukraine
Rheinmetall kaufte formell die 96 Leopard1-Panzer inklusive Ersatzteile, obwohl wiederum die formellen Genehmigungen des Geschäfts durch die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat der Ruag fehlten.
Da die Deutschen die Panzer ohnehin an die Ukraine weiterreichen wollten, verbot der Bundesrat das Vermittlungsgeschäft, italienische Panzer an Deutschland zu liefern, die eigentlich der Schweiz – zumindest teilweise – gehörten.
Schweiz umgeht Kriegsmaterialgesetz
Dann sicherte Rheinmetall und die deutsche Regierung zu, die Panzer nicht für die Ukraine zu verwenden, weshalb die Schweiz das Durchfuhrgeschäft mit einem Kniff vorbei am eigenen Kriegsmaterialgesetz doch noch offiziell billigte.
Plötzlich stellte nicht mehr die Ruag AG, sondern die Ruag MRO Holding AG den Antrag beim Bund. Einmal abgelehnte Geschäfte nach dem Embargogesetz können nämlich nicht nochmal bewilligt werden.
Und da Deutschland für Rüstungsgüter als sicheres Land gilt, brauchte es für den italienischen Panzer-Deal plötzlich nicht mal mehr eine Genehmigung, weil das Geschäft nicht das Schweizer Territorium betraf.
Dabei wurde nicht nur der Verkauf der 71 Panzer, die tatsächlich der Schweiz gehörten, vereinbart, sondern auch gleich noch eine Verkaufsoption für die 25 Panzer, deren Eigentumsverhältnisse unklar waren.
Neues Schweigen im Walde
Diese Woche gab die Ruag nun bekannt, 71 der insgesamt 96 in Italien stationierten Panzer des Typs Leopard1 inklusive der dazugehörigen Ersatzteile an die Rheinmetall Landsysteme GmbH verkauft zu haben.
Die beiden Parteien hätten den Vertrag am 5. Juni 2025 unterzeichnet, hiess es.
Über Vertragsdetails und den Verkaufspreis hätten die Vertragsparteien aber Stillschweigen vereinbart, was angesichts der Missstände bei dem Geschäft nicht gerade für Transparenz sorgt.
Weder Ruag noch Rheinmetall erklären, warum es überhaupt einen neuen Verkaufsvertrag braucht.
Schliesslich hatten die Vertragsparteien sich schon am 13. Februar 2023 auf den gleichen Deal geeinigt und Rheinmetall hatte dabei ein einseitiges Rücktrittsrecht zugesichert bekommen.
Aussergerichtliche Einigung
In Zusammenhang mit den nicht verkauften 25 Fahrzeugen seien nach wie vor Gespräche am Laufen, hatte Ruag am Dienstag dieser Woche noch beteuert.
Doch am heutigen Samstag bestätigte der Schweizer Rüstungskonzern, dass die Ruag mit der Münchner Firma Global Logistics Support GLS aussergerichtlich den jahrelangen Streit um die 25 Leopard1-Panzer beigelegt hätten.
«SRF» hatte berichtet, dass GLS zuvor ein Schiedsgericht angerufen hatte.
Rheinmetall am Ziel
GLS verzichte auf ihre Eigentumsansprüche und über die bereits geschlossene Verkaufsoption gehen die 25 Panzer in das Eigentum des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall über.
Damit hat die deutsche Rüstungsfirma alle 96 italienische Leopard1-Panzer der Schweiz in ihrem Eigentum. Das Gerät selbst lagert wohl noch immer in Italien und somit ist Rheinmetall nicht im Besitz des Kriegsgeräts.
Was die Ruag als Entschädigung an GLS abgedrückt hat, blieb aber wieder einmal im Dunkeln.
Gegenüber Medien erklärte der Staatsbetrieb lediglich, dass die wirtschaftlichen und unternehmerischen Vorstellungen der GLS umfassend berücksichtigt worden seien.
Kosten über Kosten
Die Schweiz entledigt also damit endgültig ihrem Leopard1-Panzer-Problem.
Was die ganze Angelegenheit gekostet und gebracht hat, ist allerdings noch unklar.
Neben mehreren Untersuchungen der EFK, gibt es eine interne Compliance-Aufarbeitung bei der Ruag mit Ernst & Young und die Anwaltskanzlei Niederer Kraft Frey arbeitet die Vorkommnisse noch immer auf.
Die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte ist genauso involviert, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco, das VBS, der Bundesrat und und und.
Der Verwaltungsrat der Ruag musste fast vollständig gehen, wie muula.ch berichtet. Dies alles für ein paar alte italienische Panzer der Schweiz.
Zurück bleibt ein Scherbenhaufen, dass die Rüstungsfirma nicht in der Lage ist, ordnungsgemäss Geschäfte abzuwickeln.
Fortsetzung folgt im Thriller
Doch ein Kadermitarbeiter, der dubiose Geschäfte für sich und die Ruag betrieben hat, stufte bei diesen Panzerdeals auch Ersatzteile von minderer Qualität als neuwertig ein.
Ersatzteile, die sich gut verkauften, waren bei der Ruag zu Null bewertet an Lager, hatte die EFK im Zusammenhang mit den Leopard1-Panzern kritisiert.
«Ob und in welchem Umfang dieses Material ausserhalb der Ruag-Gesellschaften mit Gewinn verkauft wurden, ist noch ungeklärt und Gegenstand der laufenden Untersuchung», hiess es von der Eidgenössischen Finanzkontrolle weiter.
Damit ist das Kapital um die 100 Leopard1-Panzer der Schweiz also noch nicht ganz beendet. Es gibt einen Fortsetzungsartikel zu diesem Thriller.
14.06.2025/kut.