Nobelpreisträger will mehr Staatsgeld für Firmen

Handshake zwischen Unternehmern und dem Staat
Der Ökonom Edmund Phelps meint, eine Gesellschaft sollte Arbeit belohnen. (Symbolbild: Ralph / pixabay)

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Edmund Phelps erklärt die aktuelle Wachstumsschwäche von Ländern. Die Schweiz kann dabei viel lernen.

Die Aussagen, welche der über 90 Jahre alte Ökonom und Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften Edmund Phelps noch macht, gehen regelrecht unter die Haut.

Es sei eine Fehleinschätzung, dass die Wachstumsschwäche vieler Volkswirtschaften wegen fehlender Investitionen resultiere, sagte der Professor in einem Interview mit dem deutschen «Handelsblatt».

Warnung an andere Länder

«Die Zinsen sind seit Anfang der 1970er-Jahre immer weiter gesunken, weil zu viel gespart wurde, und es einen Überfluss an Kapital gab. Es gab zu wenig Konsum, nicht zu wenig Investitionen», erklärte er.

Gleichzeitig habe die Welt eine enorme Verlangsamung des technischen Fortschritts gesehen, hiess es weiter. Daraus habe sich die ganze Wachstumsschwäche aufgebaut.

«Das Wachstum bleibt jedenfalls nicht wegen mangelnden Kapitals aus», erklärte der Wirtschaftsexperte.

Kreditfinanzierte Ausgabenprogramme des Staates würde da auch nicht viel nützen, warnte er andere Länder förmlich vor dem Weg eines «Inflation Reduction Act», wie ihn die USA derzeit unter dem Schlagwort IRA vornehmen.

Geld ausgeben als Ziel

Der mittlerweile emeritierte Wissenschafter der Columbia Universität ist für seine Wachstumstheorie und die Phelps-Regel bekannt, wonach es eine optimale Sparquote für Volkswirtschaften gibt.

«Kaum jemand hält sich an diese Regel», mahnte er. «Vor allem die westliche Welt hat viel zu viel gespart und zu wenig konsumiert, Unternehmen genauso wie Verbraucher», erklärte er das Dilemma der aktuellen Wachstumsschwäche vieler Länder.

Edmund Phelps
Der Ökonom Edmund Phelps ist gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. (Bild: PD)

All dies habe sogar nichts mit der Coronavirus-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg zu tun. Irgendwann habe sich eine Sättigung mit Kapital eingestellt und dies habe zu sehr niedrigen Renditen auf das Kapital geführt.

Kein dauerhafter Ausweg

Es fehle nämlich nirgendwo das Geld. «Zusätzliche schuldenfinanzierte Investitionen durch den Staat hätten einen sehr geringen oder keinen Nutzen», erklärte der bekannte Ökonom obendrein. 

Sicher könnte es Einzelfälle geben, in denen sich solch ein schuldenfinanziertes Ausgabenprogramm lohne. «Aber ein dauerhafter Ausweg ist das nicht», mahnte er weiter.

Solche Zückerchen vom Staat führten zu Mitnahmeeffekten bei den Unternehmen und insgesamt versickere das Geld. Diese Programme könnten sogar private Investitionen verdrängen, warnte er andere Länder vor solchen Schritten.

Eigeninitiative belohnen

Dagegen seien Innovationen besonders nötig. «Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hat deshalb so viel Fortschritt gebracht, weil jeder etwas tun wollte, etwas zum Wachstum beitragen wollte, Prozesse voranbringen wollte, Experimente gemacht hat», erklärte Phelps. Dies sei allerdings abhandengekommen. 

Wichtig sei daher nun, dass sich alle Mitarbeiter auf allen Ebenen, also vom ungelernten Arbeiter bis zum Firmenchef, als Teil des Innovationsprozesses verstünden.

Es brauche eine neue Perspektive. Firmen müssten Mitarbeiter belohnen, wenn diese aus Eigeninitiative einen Prozess verbesserten.

Der Abbau von Hierarchien sei dabei besonders wichtig, hiess es weiter. Da muss die Schweiz also wachsam sein.

Neues Ziel für Notenbanken

Die Inflation sieht er nicht mehr als grosses Problem an. Der Rückgang der Teuerungsraten geschehe in einem zufriedenstellenden Tempo. Allerdings könnte sich der Wirtschaftsprofessor vorstellen, dass die Notenbanken bald zu einem Drei-Prozent-Ziel übergingen.

«Auch das würde ausreichend Preisstabilität bedeuten», erklärte der 1933 geborene Wirtschaftsexperte.

Der Kampf gegen hohe Inflation führe zwar zu Arbeitslosigkeit. Da müsse jede Volkswirtschaft für sich die richtige Balance finden.

Der Zinsanstieg werde bald den Niedriglohnsektor hart treffen, sagte er vorher. Bei Arbeitskräften ohne hohen Bildungsabschluss werde Arbeitslosigkeit bald um sich greifen – allen demografischen Entwicklungen zum Trotz.

Hohe Kosten für die Gesellschaft

Doch an dieser Stelle müsse die Politik eingreifen, denn die privaten und sozialen Kosten von Arbeitslosigkeit seien enorm. «Sie führten zu Kriminalität aus Verzweiflung oder Langeweile und zum Absturz ganzer Stadtviertel», warnte der Nobelpreisträger.

«Die gesamtwirtschaftlichen Kosten sind am Ende viel höher als die nichtgenutzte Arbeitskraft», erklärte der Volkswirt.

Das Problem sei dabei, dass die Arbeitslosenhilfe nur den Lebensunterhalt sichere, sie sollte aber auch Arbeitsmöglichkeiten eröffnen. «Aus diesem Grund bin ich auch ein strikter Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens», sagte Phelps.

Firmen beginnen zu produzieren

Staatliche Subventionen sollten vielmehr die Lohnkosten für Unternehmen senken, damit diese Niedriglohnarbeiter beschäftigten. Solche Anreize gebe es aber meist nur bei Langzeitarbeitslosen.

Lohnsubventionen, die auf direktem Weg die Kosten für die Firmen reduzierten, hätten allerdings den stärksten konjunkturellen Effekt, hob der Professor hervor. «Unternehmen, die gar nicht produzieren, weil die Erträge die Lohnkosten nicht decken, würden es dann tun», erklärte er die Systematik.

Dieses Modell wäre auch für die Schweiz interessant.

Arbeit belohnen

Zwar gebe es dabei sicher einige Mitnahmeeffekte, denn die seien nie ganz zu vermeiden. Doch die Kosten von Arbeitslosigkeit seien auch enorm, warnte er.

«Die Bedeutung, Erfahrung und Belohnung von Arbeit ist unwahrscheinlich hoch. Das sollten wir niemals unterschätzen», schloss der 90-Jährige sein Interview mit dem deutschen «Handelsblatt».

12.08.2023/kut.

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