Bei einem Expertsuisse-Test für Wirtschaftsprüfer waren die Fragen wohl vorher bekannt. Das hat weitreichende Folgen für die Branche.
Der Fachverband Expertsuisse hat einen Hackerangriff gegenüber muula.ch heruntergespielt.
Es seien weder die Fragen noch die Antworten im Vorfeld der Prüfung bekanntgeworden, hatte der Leiter Bildung bei Expertsuisse Michael Vonlanthen bestätigt.
Gras über die Sache gewachsen
Die Testergebnisse hätten sogar eindeutig gezeigt, dass weder die Fragen noch die Antworten im Vorfeld bekannt gewesen sein könnten.
Ein statistischer Quervergleich mit den Resultaten früherer Tests habe dies nämlich gezeigt, so Expertsuisse weiter.
Danach war etwas Gras über die Sache gewachsen, bis unter Wirtschaftsprüfern die Gerüchte die Runde machten, dass bei der Prüfung für den Nachwuchs wohl doch geschummelt worden sei.
Qualität leidet doch
Wegen der Integrität von Auditoren könnte die Branche ein solches Schummeln allerdings nicht dulden, hiess es weiter hinter vorgehaltener Hand.
Bei den grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Schweiz überlege man daher Gegenmassnahmen, so die Gerüchte.
muula.ch hatte daraufhin die Eidgenössische Revisionsaufsicht RAB zu der Situation befragt, was die Konsequenzen dieser Missstände bei der Ausbildung des Nachwuchses seien.
Schliesslich ist die Behörde für die Qualität und Zulassung der Wirtschaftsprüfer in der Schweiz zuständig.
In Kontakt mit Branche
Die RAB sei vor den Sommerferien und danach über die Vorkommnisse informiert worden, erklärte RAB-Direktor Reto Sanwald.
Epertesuisse habe die Behörde proaktiv informiert und es habe der RAB gegenüber kein Whistleblowing diesbezüglich gegeben, hiess es weiter.
Die Aufsichtsbehörde stünde aber mit den Revisionsunternehmen diesbezüglich in Kontakt, erklärte Sanwald zudem.
Keine Weisung für Ausbildung
Die Prüfbranche stünde international seit einiger Zeit in der Kritik, weil es rund um Prüfungen und unternehmensinterne Ausbildungen vermehrt zu Unregelmässigkeiten gekommen sei, führte der RAB-Direktor zur Situation aus.
Die Integrität der Berufsleute sei für die Glaubwürdigkeit der Revision aber von zentraler Bedeutung.
Die RAB übt zwar keine Aufsicht über die Berufsverbände, wie Expertsuisse, aus und könne diesen daher auch keine Vorgaben dazu machen, wie sie ihre Prüfungen organisierten, so Sanwald.
Doch die RAB gehe davon aus, dass allen Aspekten der IT-Sicherheit hohe Priorität eingeräumt und dass auf mangelnde Integrität mit ernstzunehmenden Konsequenzen reagiert werde.
Fristlose Entlassungen
Zum Auftakt reagierte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.
Sie entliess fristlos Prüfungsassistenten, weil rund zwei Dutzend Personen die Prüfungsfragen untereinander ausgetauscht hätten, meldete «Inside Paradeplatz» am heutigen Mittwoch.
«Als Wirtschaftsprüfer stellen wir besonders hohe Ansprüche an uns selbst bezüglich Integrität und haben Verstösse von Mitarbeitenden in dieser Angelegenheit entsprechend sanktioniert», bestätigte eine KPMG-Sprecherin dem Finanz-Portal.
Ganzer Jahrgang betroffen
Wie die anderen Branchengrössen um Deloitte, PwC, Ernst & Young, BDO & Co. reagieren, ist dabei noch offen.
Doch Branchenbeobachter sehen in KPMG die einzig richtige Reaktion. Wirtschaftsprüfer kommen im Laufe ihres Arbeitslebens immer wieder in Situationen, wo sie beide Augen zudrücken könnten, aber nicht dürften. Daher darf die Integrität nicht schon während der Ausbildung leiden.
Klar wird aber schon, dass ein ganzer Ausbildungsjahrgang der Schweiz fehlen dürfte.
Konsequenzen beim Fachverband?
Und Expertsuisse habe mögliche Betrüger temporär vom Abschluss zum Wirtschaftsprüfer ausgeschlossen, hiess es bei «Inside Paradeplatz» weiter.
Damit wäre aber auch die Glaubwürdigkeit vom Fachverband weg, denn der behauptete, es hätte gar keinen Betrug gegeben.
Falls sich später andere Erkenntnisse herauskristallisiert haben, hätte es die Integrität des Fachverbandes erfordert, die Öffentlichkeit zu informieren.
18.09.2024/kut.