Kleine Krankenkasse gibt den Geist auf

Atusana-Management
Lorenz Hess (links im Bild) von der Visana hat künftig auch das Sagen für Atupri. (Bild: PD)

Die Berner Krankenkasse Atupri hat 2022 einen Megaverlust eingefahren. Die Lösung ist ihr Untergang.

Es ist eine schöne Geschichte, die sich das Management der kleinen Berner Krankenkasse Atupri da zurechtgelegt hat.

Eine Fusion unter Gleichberechtigten mit der nach Prämienvolumen rund viermal so grossen Krankenkasse Visana werde die Leistungs- und Innovationskraft bündeln, teilten beide Krankenversicherer am heutigen Mittwochabend überraschend mit.

Schlüsselpositionen nimmt Visana

Der Zusammenschluss erfolge als Kombinationsfusion auf Augenhöhe, hiess es weiter und da kommen Beobachter aus dem Lachen kaum noch heraus.

Die beiden Krankenkassen blieben weiterhin eigenständig und die Fusion erfolge über eine neue Stiftung, bei der allerdings die Visana, sprich der Präsident des Verwaltungsrats von Visana, Lorenz Hess, das Sagen hat.

Er wird Präsident des neuen Stiftungsrates «Atusana». Erst an zweiter Stelle rangiert als Vize-Präsidentin Sandra Thoma Hauser, die aktuelle Stiftungsratspräsidentin der Atupri.

Atupri-CEO steigt ab

Auch in der neu zu bildenden Geschäftsleitung des zusammengeschlossenen Gebildes behält die grössere Visana den Hut auf.

Angelo Eggli, CEO von Visana, wird Chef des neuen Konzerns. Stephan Wilms, der aktuelle Finanzchef der Visana, wird Finanzverantwortlicher der neuen Gesellschaft.

Christof Zürcher, der derzeitige CEO der Atupri, werde stellvertretender CEO und Leiter Corporate Center, was auch immer das für merkwürdige Funktionen sein sollen. Normalerweise ist der Finanzchef die Nummer Zwei in einer Geschäftsleitung.

Sowohl in der neuen Stiftung als auch in der neuen Geschäftsleitung haben aber Visana-Kader klar die Hosen an.

Kunden nehmen Reissaus

Das ist auch verständlich, denn die Atupri ist in einer extrem schlechten Position.

Sandra Thoma Hauser, Präsidentin des Stiftungsrats von Atupri wird im Communiqué zitiert, dass sich Atupri weiterhin auf eine konsequent digitale Ausrichtung entlang der Customer Journey fokussiere.

Das hofft man für das fusionierte Gebilde aber gerade nicht, denn im Jahr 2022 kehrten über 40.000 Grundversicherte der Atupri auf deren «Customer Journey» den Rücken.

Die Atupri verlor fast 21 Prozent an KVG-Versicherte im Vergleich mit dem Vorjahr.

Nun sind es noch rund 150.000 Grundversicherte, was nicht mehr viel ist. Visana kommt auf rund 650.000 Kunden in der Grundversicherung.

Horrorverlust von 67 Millionen

Das ist aber nicht die einzige Hiobsbotschaft für die einstige Betriebskrankenkasse der Schweizerischen Bundesbahnen SBB, die später in Krankenkasse SBB und dann in Atupri umbenannt worden war.

Im Geschäftsjahr 2022 wurde bei Atupri ein Megaverlust von fast 67 Millionen Franken verzeichnet. Im Vorjahr war noch ein Gewinn von rund 24 Millionen Franken angefallen und im Jahr 2020 waren es fast 50 Millionen Franken im Plus.

Viele Minuszeichen

Der Hauptverlust wurde 2022 in der Grundversicherung (KVG) erlitten. Dort schlitterte Atupri laut dem Segmentbericht mit rund 63 Millionen Franken ins Minus.

Die Combined-Ratio im KVG verschlechterte sich um rund 6 Prozentpunkte auf 107 Prozent. Im Vorjahr war bereits ein versicherungstechnischer Verlust angefallen.

Die Prämien müssen also deutlich erhöht werden, was erneuten Kundenschwund auslösen dürfte. Selbst altgediente SBB-Mitarbeiter dürften da das Weite suchen.

Das Eigenkapital der Atupri reduzierte sich mit dem aktuellen Jahresfehlbetrag um 25 Prozent auf nur noch unter 200 Millionen Franken.

Steigender Aufwand

Obwohl rund 21 Prozent der Grundversicherten die kleine Berner Krankenkasse im vergangenen Jahr verliessen, sank das Prämienvolumen nur um 1 Prozent auf 814 Millionen Franken. Das zeigt, dass die Prämienerhöhungen teilweise schon horrend gewesen sein müssen.

Im Jahr 2022 erhöhte sich bei sinkenden Beitragseinnahmen der Versicherungsaufwand aber um 2 Prozent auf 785 Millionen Franken. Wie das langfristig aufgehen soll, wusste das Atupri-Management wahrscheinlich selbst nicht einmal.

Mega-Börsenverluste

Die Kapitalanlageverluste von 37 Millionen Franken gaben dann noch den Rest im abgelaufenen Geschäftsjahr.

Das Minus war aber nur so gering, weil rund 60 Millionen Franken an Rückstellungen aufgelöst wurden.

Im Jahr 2021 waren Kapitalerträge von wohlgemerkt plus 28 Millionen Franken erwirtschaftet worden, wobei sogar noch eine Rückstellung von fast zehn Millionen Franken gebildet worden war.

Schwächung der Gesellschaft

Wie hoch die aktuelle Solvenzquote ist, steht nicht in den publizierten Angaben.

Für das Vorjahr hatte das Bundesamt für Gesundheit BAG aber noch einen guten Wert von 160 Prozent für Atupri ausgewiesen. Für die kleine Krankenkasse dürfte aber der Megaverlust sowie die Auflösung von Reserven eine deutliche Schwächung bedeuten.

Es ist also eine nette Geschichte mit der Fusion unter Gleichgesinnten. Glauben wird sie aber wohl kaum jemand.

Spätestens wenn die ganzen Doppelspurigkeiten in dem neuen Konzern beseitigt werden, ist die Krankenkasse von den SBB endgültig Geschichte.

Visana-Resultate fehlen

Ob der Zusammenschluss aber sogar die Notlösung von zwei Fusslahmen ist, kann aber noch nicht beurteilt werden.

Visana hat für das Geschäftsjahr 2022 noch keine Resultate publiziert.

Eines ist allerdings schon klar, dass diese Fusion nicht die letzte in der Krankenkassenbranche gewesen sein wird.

07.06.2023/kut.

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