Die Missstände im Bundesamt für Sozialversicherungen BSL tangieren nach der AHV auch Ergänzungsleistungen. Der Abtritt des Chefs wird klar.
In Schweizer Behörden herrschen Zustände, die glaubt man kaum.
Beim Bundesamt für Sozialversicherungen BSV trat unlängst der Chef Stéphane Rossini zurück, nachdem er einräumen musste, dass sein Amt jahrelang bei Projektionen im Sozialwerk AHV geschlampt hatte.
Mindesteinkommen gesichert
Doch nun wirkt sein Rücktritt, der unverständlicherweise erst auf Juni 2025 hin erfolgt, in einem ganz anderen Licht.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK hat nämlich die Ergänzungsleistungen (EL) unter die Lupe genommen und wurde, wie so oft, fündig.
Ergänzungsleistungen sichern den in der Schweiz wohnhaften Personen, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen, ein Mindesteinkommen.
Bern, St.Gallen und Genf im Fokus
Im Jahr 2022 beliefen sich die Ausgaben dafür immerhin auf 5,5 Milliarden Franken. Das BSV soll die Aufsicht über eine gesetzeskonforme und einheitliche Durchführung sicherstellen, weil der EL-Bereich zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt wird.
Die EFK prüfte drei kantonalen EL-Durchführungsstellen – die Ausgleichskasse des Kantons Bern, die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen und den Service des Prestations Complémentaires des Kantons Genf.
Ungleichbehandlungen gefunden
Dabei wollten die Finanzprüfer insbesondere feststellen, ob die Reform 2021, die zu Einsparungen bei der EL führen soll, korrekt umgesetzt wird.
Dabei geht es beispielsweise darum, ob Geld im Todesfall korrekt zurückgefordert wird oder ob die Anrechnung der Krankenkassenprämien sowie die Prüfung des Vermögensverzichts gesetzeskonform erfolgen.
«Es wurden Unterschiede festgestellt, die zu einem finanziellen Risiko für die EL sowie zu einer Ungleichbehandlung von EL-Bezügerinnen und -Bezügern aus verschiedenen Kantonen führen könnten», lautete das Fazit im Gesamtbericht.
Bei nur drei Ämtern fiel der EFK also schon auf, dass nicht alles korrekt im Lande läuft.
Behörde lügt dreisst
Doch das ist nicht der einzige Missstand beim BSV.
Die EFK hatte das Amt bereits im Jahr 2018 geprüft und auf einige Schwachstellen hingewiesen, unter anderem das Fehlen einer Risikoanalyse.
Das BSV hat sich verpflichtet, eine solche Risikoanalyse durchzuführen und bestätigte Ende 2020, die Empfehlung umgesetzt zu haben.
Zwar wurde eine Risikoanalyse auf Ebene der AHV-Ausgleichskassen durchgeführt, doch diese reiche nicht aus, um die Leistungen im Bereich der EL mitabzudecken, kritisierten die Finanzprüfer des Bundes.
«Die externen Revisionsberichte sind nicht geeignet, um die Konformität und die Einheitlichkeit der Verfahren bei spezifischen Punkten zu prüfen», hiess es konkret.
Zuständige Bundesrätin informiert
Vor diesem Hintergrund sieht sich die EFK veranlasst, ihre Empfehlung zur Aufsicht über die EL neu zu formulieren. Für die Umsetzung legt sie zudem eine Frist bis Ende 2025 fest.
Da das BSV die Empfehlungen teilweise abgelehnt hat, hat die EFK die Stellungnahme der Vorsteherin des Departements des Innern (EDI), also von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, als Vorgesetzte eingeholt.
Damit soll ein erneutes Missachten der Handlungsempfehlungen offenbar vermieden werden.
Faule Ausrede geliefert
Das BSV streitet in einer Stellungnahme aber auch alle Missstände ab. «Zweifellos bestehen bei den EL in manchen Bereichen kantonale Unterschiede», hiess es zwar.
Diese seien jedoch keinerlei Indiz für eine gesetzeswidrige Durchführung.
Die Differenzen seien vielmehr in den unterschiedlichen Verhältnissen der Kantone hinsichtlich soziodemografischer Strukturen, arbeitsmarktlicher Situation und etwa Armutsverhältnissen begründet.
Doch die EFK meint Unterschiede in der Durchführung und belegt dies auch mit Zahlen.
EDI fordert mehr Ressourcen
EDI-Vorsteherin Baume-Schneider schreibt in ihren Anmerkungen, dass die gesetzlichen Grundlagen bei der EL-Reform klar seien und kaum Ermessensspielraum in den Kantonen liessen.
Allerdings bräuchte es zusätzlich 1,6 Millionen Franken plus Mehrwertsteuer, um die Zusatzprüfung durchzuführen.
Vielleicht hätte Baume-Schneider den Rücktritt des BSV-Direktors Rossini nicht erst in einem dreiviertel Jahr vornehmen sollen.
Damit hätte die Bundesrätin schon einen grossen Geldbetrag für die Zusatzprüfung in ihrem Budget gehabt.
08.11.2024/kut.