Exportversicherer des Bundes erkennt eigene Risiken nicht

Die Ablösung der IT-Landschaft ist immer ein grösseres Projekt. (Symbolbild: Taylor Vick / unsplash)

Die Exportrisikoversicherung der Schweiz, die Serv, hat schon zwei Mal die IT-Umstellung vermasselt. Die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK attestiert ein Desaster für eine Firma, die eigentlich Risiken managen will.

Die Prüfer der Eidgenössischen Finanzkontrolle haben wieder einmal den richtigen Riecher gehabt, als sie ein IT-Projekt zur Kontrolle herausgepickt haben.

Sie eilten schon zum zweiten Mal zur staatlichen Exportrisikoversicherung der Schweiz, der Serv, und förderten unglaubliche Missstände zutage.

Keinen Support mehr

Das IT-Desaster der Serv ereignete sich laut einem Bericht der EFK vom Donnerstag wie folgt: Die bekannte Kernanwendung Navision ist bei der Serv mit einigen Eigenentwicklungen seit rund 17 Jahren im Einsatz.

Seit 2015 hat sie aber keine Herstellerunterstützung mehr für die Kernanwendung.

Um diese abzulösen, hat die Serv bereits zwei Lösungsansätze versucht. Zuerst wollte sie die bestehende Anwendung Navision, mit einem service-orientierten Architekturansatz neu entwickeln.

Explosion der Kosten

Daraus ist eine Landschaft mit rund 23 Anwendungen entstanden, gleichwohl konnte damit aber Navision gar nicht abgelöst werden. Diese Anwendungslandschaft war für die SERV schlussendlich betrieblich und kostenmässig nicht mehr beherrschbar. 

Als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen führte die Serv zusammen mit einem Beratungsunternehmen eine Marktanalyse durch.

Es zeigte sich, dass es für das spezialisierte Geschäft der Serv keine Standardanwendung gab. Daher entschied sich die Schweizer Staatsfirma, zusammen mit einem französischen Partner, eine eigene Standardanwendung aufzubauen.

Termin- und Qualitätsprobleme

Damit sollte ebenfalls die Produktverantwortung an diesen Partner übergehen, um so die Serv-Ressourcen auf das Versicherungskerngeschäft fokussieren zu können. Doch diesen Versuch hat die Serv nach Termin- und Qualitätsproblemen und drohender Kostenüberschreitung wiederum abgebrochen. 

Als Konsequenz hat die Serv die Produktverantwortung erneut in die eigenen Hände genommen und ein Vorgehen gewählt, das schrittweise umgesetzt werden kann.

Dafür hat die Serv, die Risiken im Umfang von mehreren Milliarden Franken administriert, einen Auftrag im Umfang von 148.000 Franken mal locker freihändig vergeben. Aufgrund der vorgängig nicht erkannten Komplexität musste sie diesen aber auf rund 257.000 Franken erhöhen.

Veraltetes Programm gekauft

Die Serv verfügt nun aber nach mehreren Jahren wieder über ein herstellerunterstütztes Produkt. Der Support für diese Version 2014 läuft im Oktober 2023 jedoch bereits wieder aus.

Dennoch habe der Staatsversicherer einen wesentlichen Schritt zur Sicherstellung ihrer Geschäftsfähigkeit gemacht, urteilten die Finanzprüfer bei all dem Durcheinander.

Das geplante Software-Upgrade auf die aktuelle Version 2019 müsse die Staatsfirma nun aber zeitgerecht machen, mahnten die Kontrolleure.

Nochmal 15 Millionen

Die neue Produktverantwortung will die Serv zusammen mit zwei externen Technologiepartnern wahrnehmen. Die benötigten Leistungen für das Hauptprojekt und die nachfolgende Nutzungsphase hat sie in einem offenen Verfahren ausgeschrieben.

Dabei geht es um Microsoft Dynamics 365 Business Central (MS BC) mit einem Beschaffungsvolumen von rund 10 Millionen Franken und um Java mit einem Beschaffungsvolumen von rund 5 Millionen Franken. Beide Beschaffungsverfahren seien zum Prüfungszeitpunkt weitgehend abgeschlossen.

Die Serv machte im Jahr 2020 einen Verlust von 82 Millionen Franken. Im Jahr 2021 wies sie einen Unternehmensgewinn von 88 Millionen Franken aus.

Verkennen wichtiger Risiken

Schliesslich urteilen die Prüfer zwar positiv, dass die Fach- und IT-Bereiche der Serv ein hohes Engagement bei der Umsetzung zeigten. Auch die Qualitäts- und Risikomanagementprozesse würden aktiv gelebt.

Trotzdem wurden wesentliche Risiken aus den fehlenden Grundlagen erst mit der Einführung des unabhängigen Qualitäts- und Risikomanagers erkannt, hiess es kritisch. Das ist für einen Versicherer eigentlich ein Armutszeugnis, weil das Managen von Risiken eigentlich zum Tagesgeschäft gehört.

Planung notwendig

Meilensteine mit den notwendigen Voraussetzungen für einen Betrieb in den neuen Betriebsstrukturen wurden laut der EFK aber auch weder auf der Steuerungsebene definiert noch in der Planung («kritischer Pfad») berücksichtigt. Diese Planung des kritischen Pfades müsse die Serv nun als Steuerungsinstrument zusammen mit der Umsetzungsplanung dringend erarbeiten.

Sowohl der staatliche Exportversicherer des Bundes sowie das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft Seco geloben in Stellungnahmen künftig Besserung. Auch seien die Einschätzungen der Finanzprüfer zutreffend und die Empfehlungen seien teilweise bereits umgesetzt.

Wahrscheinlich wäre es für die Schweiz nicht schlecht, wenn die EFK auch noch ein drittes Mal bei dem desaströsen IT-Projekt der Serv vorbeischauen würde.

02.02.2023/kut.

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