Ein Freihandelsabkommen für nur einen Tag

Eine Flagge der Republik Moldau
Die Schweiz und Moldawien haben ein Freihandelsabkommen. (Bild: D. Peterson / pixabay)

Die Schweiz hat lange über ein neues Freihandelsabkommen verhandelt. Es trat in Kraft und wurde gleich hinfällig.

Die Freude über das neue Freihandelsabkommen der Schweiz mit Moldawien hat genau einen Tag gedauert.

Mit viel Aufmerksamkeit hatten die Efta-Staaten, zu denen neben der Schweiz auch Liechtenstein, Norwegen und Island zählen, ein Freihandelsabkommen mit Moldawien abgeschlossen.

Viel Prominenz

Anlässlich der Ministerkonferenz der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) im liechtensteinischen Schaan unterzeichnete SVP-Bundesrat Guy Parmelin am Dienstag den dicken Stapel an Papier mit seinen Amtskollegen sowie dem moldawischen Wirtschaftsminister Dumitru Alaiba das Freihandelsabkommen.

Auch der Premierminister der Republik Moldova, Dorin Recean, war bei der Unterzeichnung anwesend.

Die Tagesschau und viele Zeitungen berichteten ausführlichst.

Auch Onlinehandel geklärt

Die Übereinkunft enthält Bestimmungen zu Handel mit Industriegütern einschliesslich Fisch und Meeresprodukte, zu verarbeiteten und unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten, technischen Handelshemmnissen, sanitären und phytosanitären Massnahmen, Ursprungsregeln, Handelserleichterungen, Handel mit Dienstleistungen, Investitionen, Schutz des geistigen Eigentums, zu Wettbewerb, öffentlichem Beschaffungswesen, Streitschlichtung sowie zu Handel und nachhaltiger Entwicklung.

Moldawien ist sogar der erste Partnerstaat, mit dem die Efta ein Kapitel über E-Commerce vereinbart hat.

Alle Peanuts

Das bilaterale Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Moldova betrug im Jahr 2022 rund 50 Millionen Franken und eröffne nun aber einen breiten Marktzugang, freuten sich die Verantwortlichen.

Doch schon einen Tag später, nämlich am gestrigen Mittwoch, erliess der Bundesrat dann Sanktionen gegen Moldawien, weil dort russlandfreundliche Kräfte offenbar eine Destabilisierung der Lage herbeifügen wollten.

Schon zuvor hatte die Schweiz einige Sanktionen auf die Republik Moldau ausgeweitet, wie auch muula.ch berichtete.

Seco involviert

Der Bundesrat habe am 28. Juni 2023 Finanzsanktionen sowie Reisebeschränkungen gegenüber fünf Personen verabschiedet, hiess es.

Dabei handele es sich um Geschäftsleute und politisch tätige Personen, die sich an Handlungen zur Untergrabung der Souveränität und Unabhängigkeit von Moldau beteiligt hätten.

Mit den verabschiedeten Massnahmen werden die Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen dieser Personen gesperrt sowie ein Ein- und Durchreiseverbot gegen sie erlassen. Die zu sperrenden Gelder müssten dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco unverzüglich gemeldet werden, hiess es weiter.

Nur 2,6 Millionen Einwohner

Zwar gaben sich die Verantwortlichen alle Mühe zu beteuern, dass die Sanktionen gegen die Personen keinen Einfluss auf am Vortag unterzeichnete Freihandelsabkommen hätte. Doch das ist Augenwischerei.

Kaum eine Schweizer Firma dürfte Handel mit dem bettelarmen Land aufnehmen.

Es ist verständlich, dass es aufgrund des Krieges in der Ukraine versucht, weitere Wirtschaftsanbindung an westliche Staaten zu erreichen.

Dabei dürfte das Land mit 2,6 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandprodukt BIP von 14 Milliarden Dollar bei schwierigen Themen in den Verhandlungen rasch Zugeständnisse gemacht und die Bedingungen der Schweiz & Co. akzeptiert haben.

Das BIP der Schweiz beträgt zum Vergleich 800 Milliarden Dollar.

Weinbauer Parmelin freut sich

Das seit 1991 von der Sowjetunion unabhängige Land lebt hauptsächlich von Landwirtschaft. Der Obst- und Weinbau mit Brantwein sowie Konserven stehen dabei im Vordergrund.

Nicht mal die Rahmenbedingungen stimmen für Unternehmen – im Index für wirtschaftliche Freiheit kommt das Land auf einen weit abgeschlagenen Rang. Aber der Monatslohn beträgt rund 150 Franken, wobei die gut ausgebildeten Personen lieber wegziehen als dortbleiben.

Wer will also in der Schweiz künftig Wein aus Moldawien trinken? Wer will Konserven aus dem Land kaufen? Wohl niemand.

Aber vielleicht fand der Schweizer Wirtschaftsminister und Weinbauer Parmelin an den Tropfen gewissen Geschmack oder hat zu tief ins Glas geschaut.

Luxusuhren als Exportschlager?

Was würden Schweizer Landwirte sagen, wenn die Republik Moldau plötzlich massenhaft Butter, Geflügel und Fleisch in die Schweiz importiert?

Und welches Schweizer Unternehmen soll Schokolade oder Präzessionsmaschinen an diesen Staat und deren Unternehmer verkaufen?

Eine Schweizer Luxusuhr um Patek Philipp oder Audemars Piguet kostet ungefähr so viel, wie tausend Menschen in Moldawien zusammen in einem Monat verdienen. Pharmaprodukte dürfte der Staat dort auch ohne Freihandelsabkommen einfach aus der Schweiz erhalten.

Die Staatsverschuldung der einstigen Sowjetrepublik beträgt aber rund 40 Prozent des BIP und die Ausgaben kommen jährlich auf rund 3 Milliarden Dollar. Die Staatsausgaben der Schweiz betragen über 80 Milliarden Franken pro Jahr. Daran sieht man die Dimensionen.

Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, Economiesuisse, bejubelte logischerweise das Abkommen. Aber selbst den Wirtschaftsexperten schien das Handelsvolumen zu gering und daher übertrieben sie es um rund 50 Prozent.

Hohe Risiken für Firmen

Wenn sich dann noch ein Schweizer Unternehmen überhaupt für unkomplizierte Exporte mit dem Freihandelsabkommen nach Moldau interessiert, muss es nunmehr aufpassen, dass es keine Geschäfte mit Personen und Firmen macht, welche schon auf der Sanktionsliste der Schweiz stehen oder dort bald landen könnten.

Das Risiko im Verhältnis zum Ertrag, der potenziell winken könnte, dürfte viel zu hoch sein.

Auch wirkt es wahrscheinlich komisch, seine neuen Businesspartner nach zusätzlichen Staatsangehörigkeiten oder heiklen Geschäftsbeziehungen zu fragen.

Unsinnige Arbeit

Kaum jemand dürfte sich also für das Freihandelsabkommen mit Moldawien interessieren, bis nicht der Konflikt in der Region gelöst ist.

Freihandelsabkommen mit Grossbritannien oder Indien, lieber Herr Parmelin, sind für die Schweiz da von deutlich grösserer Bedeutung.

Aber fünf Verhandlungsrunden mit Moldawien, eine feierliche Unterzeichnung und die ganze Administration über mehrere Jahre in zahlreichen Staaten dürfte mehr gekostet haben, als der ganze Handel zwischen der Schweiz und dem Ministaat in den kommenden Jahren bringt.

29.06.2023/kut.

Ein Freihandelsabkommen für nur einen Tag

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