Der Konzernchef von JP Morgen Jamie Dimon macht seine Sicht der Dinge auf die Finanzwelt klar. Anhänger von Marktwirtschaft dürfte es grauen.
«Die Regierung hat mich angerufen und um unsere Hilfe gebeten», sagte Jamie Dimon, der langjährige Konzernchef der US-Grossbank JP Morgen, im Interview mit dem deutschen «Handelsblatt», warum er die strauchelnde First Republic Bank übernommen habe.
«Wir konnten dieses Problem lösen, und das war gut für die US-Wirtschaft», führte der Topmanager zu dem Vorgang weiter aus.
Dienstleistungen für andere
Damit seien viele Jobs gerettet worden und die Lage im Finanzsystem habe sich beruhigt, hiess es weiter.
Doch an der Grösse von JP Morgan habe sich durch die Übernahme ohnehin nichts Wesentliches geändert, beschrieb der am längsten amtierende CEO der Wall Street die alles andere als marktwirtschaftliche Situation.
Dimon findet zudem auch nicht, dass JP Morgan mit einer Bilanzsumme von 3700 Milliarden Dollar zu gross sei.
«Wir erbringen viele Dienstleistungen für kleinere Banken, etwa bei Baufinanzierungen, Übernahmen oder im Zahlungsverkehr», erklärte der 67-Jährige weiter.
Illustre Kundschaft
«Wir finanzieren Länder, Regierungen, den Internationalen Währungsfonds und grosse Konzerne in 30 Ländern», sagte er zum Kundenstamm.
JP Morgen helfe obendrein bei der Durchsetzung von Sanktionen und schütze mit den Kontrollen zur Geldwäscherei das Finanzsystem.
Aktionäre und das Management von Geldhäusern sollten zwar nicht mit Staatsgeld gerettet werden.
«Aber grundsätzlich müssen Regierungen bei Unternehmenspleiten – nicht nur im Bankensektor – bestrebt sein, die Verwerfungen für die heimische Wirtschaft möglichst gering zu halten», legte er seine feste Überzeugung dar.
Noch mehr Grossbanken
«Nur noch kleine Banken zu haben, die sich leichter abwickeln lassen, wäre der falsche Weg», führte der Starbanker zudem aus. Er glaubt sogar, dass sich mittel- bis langfristig mehr grosse Geldhäuser formieren werden.
«Die Konsolidierung ist im Bankensektor bisher nicht so weit fortgeschritten wie in anderen Bereichen», sagte er diesbezüglich.
«JP Morgan hat beispielsweise in den USA gerade einmal einen Marktanteil von 10 Prozent», betonte er. Unternehmen in anderen Branchen kämen da auf 30 Prozent.
Doppelt so teure Autos
«Sie haben dadurch enorme Grössen- und Effizienzvorteile und können Produkte für Kunden günstiger herstellen», so die Logik hinter dem Kalkül.
«Wenn es so viele Autohersteller gäbe wie Banken, müssten Sie für ein Auto vermutlich doppelt so viel zahlen», machte der US-Banker seinen Standpunkt klar.
Viele Ineffizienten
Dass eine grosse Anzahl von Banken zu stärkerem Wettbewerb und günstigeren Konditionen führe, sieht er indes nicht.
«Das habe ich noch nie gehört – und ich kann die Argumentation auch nicht nachvollziehen», sagte er völlig erstaunt auf die Nachfrage.
Zu viele Banken führe zu grossen Ineffizienzen.
«Wenn die Kunden dafür nicht bei den Krediten bezahlen, dann bezahlen sie vermutlich an anderer Stelle», erklärte der erfahrene JP-Morgan-Chef gegenüber dem «Handelsblatt».
Grosser Heimmarkt wichtig
Staaten sollten dabei aber nicht versuchen, nationale Champions zu schaffen.
«Die Initiative muss von den Banken selbst ausgehen», hiess es aber, obwohl dies bei der Schweizer Krisenbank Credit Suisse mit der Notfusion zur UBS allerdings genauso passiert ist.
Für Europa wäre es da am besten, wenn sich mit der Zeit paneuropäische Banken-Champions entwickelten.
«Diese Institute hätten dann einen grösseren Heimmarkt und wären international wettbewerbsfähiger», sagte Dimon. «Das wäre gut für das gesamte Finanzsystem», so der Topmanager.
Schrittweiser Markteintritt
In Europa will die US-Grossbank aber die Konkurrenz aufmischen und bleibe deshalb im Wachstumsmodus.
Mit «Chase» habe das Geldhaus ambitionierte Pläne und wolle damit nicht nur in Grossbritannien und Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas auf Kundenfang gehen. «In Berlin haben wir bereits viele Menschen eingestellt», sagte er.
Bei dem Angebot von «Chase» starte die US-Bank in der Regel in neuen Märkten nur mit wenigen Produkten und baue die Angebotspalette erst schrittweise aus.
Weitere Geheimnisse
Er gab sich überzeugt, dass dieser Ansatz mit der stückweisen Konkurrenz bei einzelnen Finanzdienstleistungen von Erfolg gekrönt sei.
Allerdings verriet der Bankenstar nicht, ob die Schweiz bei der Expansionsstrategie in Europa eine grössere Rolle spielt, und warum er den Wettbewerb anheizen will, obwohl dieser doch so schädlich für die Kundschaft ist.
Eines wurde in dem Interview jedoch glasklar: Je grösser eine Grossbank ist, desto eher bekommt sie einen Anruf von der Regierung.
22.07.2023/kut.