Die Illusion von Kontrolle für Künstliche Intelligenz

Vielerorts wird Regulierung für Künstliche Intelligenz gefordert. Ein Professor sagt jedoch, warum dies Unsinn ist und was es wirklich braucht.

Künstliche Intelligenz KI wird die Menschheit stark verändern und daher wird der Ruf nach Regulierung laut.

Doch dies ist der völlig falsche Weg, denn dann müsste man die Regulierung auf einer weltweiten Ebene aufsetzen.

Teilhabe am Fortschritt

«Wenn Europa allein vorprescht, sollte man sich nicht wundern, wenn man abhängig wird von den Entwicklungen anderer», sagte der Historiker der US-Universität Princeton Harold James in einem Interview mit dem neuesten Magazin «Der Spiegel».

Europäer würden dann aber zu Recht verlangen, am technologischen Fortschritt teilzuhaben.

Abschottung vom Markt

Der Ruf nach Regeln komme jedoch häufig von den Entwicklern selbst, was dem Wissenschafter logisch erscheint.

«Wenn Sie eine Spitzenposition innehaben, dann haben Sie natürlich ein Interesse, dass der Markt abgeschottet wird», erklärte James zu den Anliegen von Sam Altman oder von Techmilliardär Elon Musk.

Bei KI sieht der 68-jährige Professor die Notwendigkeit für eine Regulierung nicht.

Keiner hält sich an Regeln

«Hier geht es vor allem um ethische oder moralische Fragen», betonte er in diesem Zusammenhang, weil es viele KI-Anwendungen für aggressive und militärische Zwecke geben werde.

Einen effektiven KI-Bann werde die Menschheit aber nicht mit internationalen Verträgen durchsetzen können, mahnte der Historiker und Buchautor.

Selbst die Uno oder eine neue Institution analog zu den Vereinten Nationen seien blockiert und wären kaum in der Lage, diesen Stoppknopf wirklich zu drücken.

Monopole sichern

«Wir haben es mit mächtigen Interessen und Lobbygruppen zu tun», hiess es zu den wahren Problemen, weshalb sich Menschen nicht von einer KI medizinisch behandeln lassen könnte.

Diese Lobbyisten würden alles tun, um ihre Monopole zu schützen. «Ich glaube, wir brauchen viel mehr Deregulierung statt neuer Gesetze, um von künstlicher Intelligenz am Ende zu profitieren», sagte der Professor für Geschichte.

Grenzen verlieren an Bedeutung

Im Grunde genommen sei der Prozess um die künstliche Intelligenz revolutionär, aber unkontrollierbar. «Natürlich wird die Technologie hauptsächlich in den USA vorangetrieben», erklärte er.

«Aber die Anwendungen werden sehr bald überall sein», betonte James, der die eigentliche Kraft von KI ohnehin in den Anwendungen sieht.

Dies sei nichts, was man innerhalb von Grenzen halten oder verhindern könnte. Die Umwälzungen würden tiefgreifend und rasant sein, betonte er.

Gehirne verkommen

James machte zudem die Entwicklungen aus seiner Sicht anschaulich klar:

«Die industrielle Revolution, die Eisenbahn, die Stahlwerke haben im 19. Jahrhundert physische Arbeit von Menschen und Tieren durch fossile Energie ersetzt.

Daraufhin lebten die Menschen gesünder und länger, aber ihre Muskeln wurden schwächer und die körperlichen Kräfte nahmen ab.

Professor Harold James
Professor Harold James (Bild: Udo Weier / wikipedia)

«Die Menschen werden durch KI immer dümmer werden, weil sie ihre Gehirne weniger intensiv nutzen und trainieren», sagte der Wissenschafter.

Die eigentliche Gefahr der KI bestünde genau darin, weil die Menschen keine Sprachen mehr lernen müssen, da KI alles sofort übersetzen kann.

Rolle der Menschen beachten

Dabei stünden auch die zwischenmenschlichen Beziehungen auf dem Spiel. In China liessen sich schon heute Millionen Männer von einem Chatbot durch den Alltag begleiten, als Ersatz für eine Freundin, mahnte er.

«Für mich sind die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, mindestens so gross wie die damit verbundenen Sicherheits- und Militärfragen», sagte der US-Historiker zu den Entwicklungen um Künstliche Intelligenz.

Schweiz reagierte auf Bedrohung

Doch der technische Fortschritt hat in den USA gesellschaftspolitisch keine Wunder bewirkt.

«Im Gegenteil, er geht mit einer Massenverelendung einher», warnte der Professor. Darauf muss sich Europa also wohl vermehrt konzentrieren.

Doch Veränderungen funktionieren in vielen Ländern ohnehin nur, falls sie sich bedroht fühlten.

Dies könnte man an der Schweiz in den Dreissigerjahren sehen, als die Sorgen vor Nazideutschland bestanden und Arbeiter, Bauern sowie bürgerliche Parteien plötzlich zusammenkamen und sich politisch neuformierten.

«Wir stecken genau in dieser Düsternis, durch all die geopolitischen und technologischen Bedrohungen. Womöglich bringt das die Dinge in Bewegung», hob James hervor.

06.05.2024/kut.

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