Die deutsche Autoindustrie meldet sich zurück

Der neue BMW mit «Neue Klasse»
Das futuristische Design von BMWs «Neuer Klasse» fällt auf. (Bild: PD)

Lange gab es nur Trauerbotschaften um Mercedes, Volkswagen und BMW. Dies ändert sich nun und bietet Chancen für Schweizer Automobilzulieferer.

Bis 2035 sollte das Vorzeigeprodukt Deutschlands, das Auto, eigentlich verboten werden.

Doch jetzt bewegt sich die Branche wieder, die eigentlich durch den Fokus auf Fahrzeuge ohne CO2-Ausstoss dem Untergang geweiht war.

Neue Zuversicht

Die Welt brauche mehr Flexibilität und eine Abkehr vom EU-Verbrennerverbot, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius dem deutschen Blatt «Welt am Sonntag».

Auch der CEO des Münchner Autokonzerns BWM meldete sich dieser Tage bei der Vorstellung des ersten Serienmodells der «Neuen Klasse» um den iX3 viel zu Wort.

«Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Pläne in der aktuellen Form umgesetzt werden, ist äusserst gering», erklärte Oliver Zipse zum EU-Verbrennerverbot bis 2035 für Neuwagen in der «FAZ am Sonntag».

Duale Welt aus Altem und Neuem meiden

Nach einer Phase an Nachfrageschwäche und strukturellen Unsicherheiten zeigt die deutsche Autobranche wieder Aufwärtstendenzen.

Besonders BMW signalisiert mit der Vorstellung des Programms «Neue Klasse» den Anspruch, die Transformation zur Elektromobilität und Digitalisierung erfolgreich zu gestalten.

iX3 von BMW
Mit iX3 setzt BMW neue Massstäbe. (Bild: PD)

Das Konzept, das dieser Tage der Öffentlichkeit präsentiert wurde und an die Lancierung des völlig neu entwickelten BMW 1500 im Jahr 1961 erinnnert, umfasst neue Fahrzeugformen, softwarebasierte Steuerungssysteme und eine zukunftsorientierte Ausrichtung auf Elektroantriebe, sogar für Langstrecken.

«Wir wollen eine neue Zukunft für BMW», sagte Zipse ohne eine duale Welt aus alten und neuen Technologien.

Doppelter Boden zur Sicherheit

Dank hoher Ingenieurskunst will BMW technologische Benchmarks setzen, doch die «Neue Klasse» sei ein globales Produkt, denn nur so könne eine Firma auch in Zukunft an der Spitze stehen.

BMW habe einen robusten Entwicklungs- und Absicherungsprozess sowohl bei den physischen Komponenten als auch bei der Software, um Produktmängeln und Lieferschwierigkeiten zu entgehen, hiess es weiter.

Entscheidend dabei sei, nicht von einem einzigen Zulieferer abhängig zu sein.

«Deshalb entwickeln wir die Batterietechnologie selbst und haben für die Massenproduktion Lieferverträge mit mehreren führenden Zelllieferanten», betonte der Topmanager.

Chinesen in China vorne

Die lokalen Modelle in China enthalten Innovationen, die BMW gemeinsam mit lokalen Techpartnern in China für China entwickelt habe.

«Die nächste Dekade in der internationalen Autoindustrie wird ein Ausscheidungsrennen», gab sich Zipse überzeugt. Ein Preiskampf sei aber kein tragbares Geschäftsmodell.

Dem Aufstieg der Chinesen schaut er obendrein gespannt entgegen.

«In Europa halten europäische Hersteller schon immer mit Abstand die höchsten Marktanteile, in den USA die amerikanischen», sagte er.

Warum solle dies in China grundlegend anders sein, fragte der BMW-Konzernchef rhetorisch.

Ems, Sika und Oerlikon profitieren

Für Schweizer Automobilzulieferer eröffnen diese Perspektiven neue Chancen.

Viele hiesige Unternehmen, von der EMS-Chemie über Sika bis hin zu OC Oerlikon, sind bereits eng in die Lieferketten deutscher Fahrzeugkonzerne eingebunden, sei es mit Präzisionskomponenten, Elektronik, Spezialmaterialien, Messinstrumenten oder Softwarelösungen.

Die Innovationsstärke Schweizer Firmen in Kombination mit hoher Verlässlichkeit wird durch den Neustart der deutschen Autoindustrie laut Branchenbeobachtern an Bedeutung gewinnen.

BMW hat sogar in der «Neuen Klasse» alles für selbstfahrende Autos vorbereitet. Da könnten Schweizer Tüftler ebenfalls eine Hauptrolle spielen.

Kraftstoff auch nicht selbst herstellen

Wenn deutsche Autokonzerne beispielsweise die Batterietechnologie nicht nur entwickeln, sondern die Batterien auch gleich noch selbst herstellen würden, begäben sie sich auf Glatteis.

«Wir stellen als Autohersteller ja auch nicht den Kraftstoff selbst her», betonte der Vorstandschef des BMW-Konzerns, der von der Unternehmerfamilie Quandt geprägt wird.

BMW iX3 interior
Das Innenleben des iX3 setzt auf die Digitalisierung. (Bild: PD)

Wenn BMW die Zellen selbst herstellen würde, hätte das Unternehmen nur einen Lieferanten, nämlich sich selbst. «Damit können wir den Wettbewerb am Markt nicht mehr zu unserem Vorteil nutzen, wären aber trotzdem abhängig von den Rohstoffen», erklärte der Automanager.

Wer versuche, sich vollständig unabhängig zu machen, schneide sich von Innovation und Wettbewerb ab.

Dies sei am Ende das viel grössere Risiko, denn was soll man tun, wenn man in eine Zelltechnologie investiert hat, die nach zwei Jahren obsolet ist?

Vier Zusatzoptionen mit Potenzial

Die Schweiz kann sich da also ebenfalls neupositionieren und mit Innovation vom Aufschwung der deutschen Automobilindustrie profitieren.

Neben dem Elektroauto sieht Zipse vier Zusatzoptionen.

Dieselmotoren würden immer effizienter und könnten zur CO2-Reduktion beitragen. Auch bei Ottomotoren würden sich die Schadstoffemissionen weiter reduzieren.

Plug-In-Hybride ermöglichten Fahren im Alltag und auch Wasserstoffbrennstoffzellen seien von Interesse.

«Gerade in dicht besiedelten Städten wie Tokio wird es nie eine ausreichende Ladeinfrastruktur für E-Autos geben», machte der BMW-Chef die Entwicklungen klar.

Klima, Kunden und Industrie helfen

Wenn viele Menschen auf der Erde sagten, ein Gebrauchtwagen mit Verbrennungsmotor sei für sie die bessere Lösung als ein neues E-Auto, sei niemandem geholfen.

Weder dem Klima noch den Kunden und auch nicht einer dann massiv geschrumpften Autoindustrie in Europa.

Damit kann die Schweiz auch wieder Hoffnung in einem Bereich schöpfen, der schon fast abgeschrieben war.

Und am heutigen Sonntag meldet sich laut der Merbag-Gruppe auch noch Mercedes mit dem neuen GLC SUV, dem Gegenstück zum BMW iX3, auf der Weltbühne zurück.

07.09.2025/kut.

Die deutsche Autoindustrie meldet sich zurück

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert