Der Bundesgerichtshof in Deutschland hat Negativzinsen auf Sparkonten für unrechtmässig erklärt. Der Entscheid setzt die Schweiz unter Druck.
Es ist ein historisches Urteil, welches die Richter des Bundesgerichtshofes (BGH) in Deutschland gefällt haben.
Klauseln zu Verwahrentgelten bei Spar- und Tagesgeldkonten, also Negativzinsen, sind unwirksam, teilte das höchste Gericht des Nachbarlandes für Bank- und Börsenrecht am Dienstag überraschend mit.
Rückzahlung der Strafgebühren
Demnach dürfen Geschäftsbanken keine Negativzinsen auf Spareinlagen und Tagesgeldkonten erheben.
Der BGH erklärte damit die Vorgehensweise während der Niedrigzinsphase für ungültig, Verwahrentgelte ab einem bestimmten Betrag mit einer Strafgebühr zu belasten.
Bankkunden können nun – zumindest in Deutschland – mit der Rückzahlung ihrer Negativzinsen rechnen, freuten sich die Konsumentenschützer, welche das Urteil erwirkt hatten.
Kleine Ausnahme möglich
Doch der Entscheid aus Karlsruhe hat gravierende Folgen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, weil er die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank EZB betrifft.
Die Bundesrichter sahen es als Benachteiligung für Verbraucher an, Verwahrentgelte auf Spar- und Tagesgeldkonten bei Banken und Sparkassen zu zahlen. Dies würde nämlich den Charakter der Einlagen, die neben einer Verwahrung auch Anlage- und Sparzwecke verfolgen, komplett verändern und damit sind sie unzulässig.
Anders sei dies bei Girokonten, denn dort stelle die Verwahrung des Geldes eine von den Banken erbrachte Hauptleistung dar und unterliege damit keiner rechtlichen Inhaltskontrolle.
Auf solche Einlagen dürften Geldhäuser durchaus Negativzinsen erheben, wenn die Bedingungen dafür in den Vertragsklauseln klar und verständlich seien.
Sparen unattraktiv machen
Da der Wechsel zwischen Giro- und Sparkonten in der digitalisierten Welt in Sekundenschnelle erfolgen kann, sind Negativzinsen quasi verunmöglicht worden und dies trifft die Geldpolitik hart. Mit einem Klick können Sparer ihr Geld heutzutage ja umschichten.
Die Zentralbanken können die Geschäftsbanken durchaus mit einem Negativzins belasten. Diese dürfen dann aber keine Verwahrentgelte auf die Konsumenten überwälzen.
Der Sinn von einem Zins im negativen Bereich ist aber gerade, das Sparen zu verschlechtern, um die Menschen zum Geldausgeben anzuregen und damit die Inflation zu erhöhen.
Schweiz muss Neues wagen
Die Schweizerische Nationalbank SNB hatte Negativzinsen eingeführt, weil die Teuerung zu niedrig und der Schweizerfranken zu attraktiv war.
Gleichzeitig betonte der neue SNB-Chef Martin Schlegel bei jeder Gelegenheit, dass sie durchaus wiederkommen könnten. Wenn dies im Euro-Raum nach dem Urteil aber seine Wirkung verfehlt, muss sich die Schweizer Geldpolitik etwas anderes überlegen.
muula.ch hatte den neuen SNB-Chef unlängst an einer Medienkonferenz gefragt, ob die Nationalbank etwa die Definition von Preisstabilität in den negativen Bereich ausweiten wolle, also nicht das Intervall von 0 bis 2 Prozent anstrebe, sondern über die Nullgrenze ins Negative hinaus. Dies hatte Schlegel verneint.
Somit bleibt den Notenbankern quasi nur noch die Schwächung des Frankens als Instrument der Geldpolitik übrig.
Verwahrung gratis
Nun zeigt sich, dass die Geldpolitik eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Deflation verloren hat. Das Urteil von Deutschland mag noch nicht für die Schweiz gelten. Für die Geldpolitik ist es aber ein Zeitenwechsel.
Bei null ist mit den Zinsen ein Schlusspunkt erreicht. Sparen ist der Verzicht auf Gegenwartskonsum und dafür dürfen Menschen nicht bestraft werden.
Die Dimension des Entscheids hat vielleicht noch nicht jeder verstanden. Aber warum sollten Sparer irgendwo Negativzinsen zahlen, wenn es die Verwahrung des gleichen Geldes andernorts gratis gibt.
05.02.2025/kut.