
Die TX Group stellt die Printversion von «20 Minuten» ein und baut 80 von 300 Stellen ab. Doch nicht nur Corona versetzte dem Blatt den Todesstoss.
Die letzte Gratiszeitung der Schweiz ist Geschichte.
Tessin auch betroffen
Nach rund 26 Jahren stellt die TX Group per Jahresende das Printprodukt zu «20 Minuten» ein, teilte der Verlag am heutigen Dienstag mit.
Die erste Ausgabe war am 13. Dezember 1999 erschienen.
Als Hauptgrund für die Einstellung nannte TX Group, zu der auch Zeitungen wie der Zürcher «Tages-Anzeiger», die «Basler Zeitung» oder «Der Bund» gehören, die sinkenden Erträge im Printgeschäft.
Die digitale Ausgabe werde aber weitergeführt, hiess es und alles daran ausgerichtet.
Aber auch die Tageszeitung 20 minuti im Tessin, die vom Joint Venture 20 minuti Ticino SA herausgegeben wird, werde eingestellt.
Veraltete News im Angebot
Damit reagiert das Medienhaus auf den Branchenwandel, denn mit der Digitalisierung lesen immer weniger Menschen die Printprodukte.
Selbst die Sonntagspresse, wo Printausgaben noch Sinn ergeben, brechen die Auflagen regelrecht weg.
Innerhalb nur eines Jahres sackten die Werte von «NZZ am Sonntag» und der «SonntagsZeitung» je um fast 20 Prozent ab, wie aus Verlagsdokumenten hervorgeht.
Viel zu spät kommen meist die gedruckten Blätter auf den Markt und «News» sind dann veraltet. Wenn beispielsweise etwas am Freitagabend passiert, können es die Medien nicht erst am Montag berichten.
Daher informieren sich die Menschen heutzutage online.
Doch bei «20 Minuten» haben noch andere Entwicklungen zu dem Siechtum geführt.
Pendlerstrom versiegt
So brach der Pendlerstrom in der Schweiz während der Coronavirus-Pandemie ein und erholte sich auch danach nur mässig.
Selbst die Schweizerischen Bundesbahnen SBB, an deren Bahnhöfen die meisten Exemplare der Gratiszeitung verteilt worden waren, merken dies an immer weniger Interesse bei Generalabonnements.
Die Gewohnheit, am Morgen eine Gratiszeitung aus einem Aufsteller zu nehmen, ist vielen Menschen abhandengekommen.
Viele Berufspendler fahren heutzutage nur an wenigen Tagen der Woche ohnehin ins Büro und meist auch nicht zu den Stosszeiten.
Der «Blick» realisierte dies viel früher und stellte seine Abendausgabe für Pendler bereits ein.
Lesedauer geschrumpft
Neben dem Medienwandel bei der Aktualität und der sinkenden Kundengruppe bei Pendlern spielt aber noch ein Effekt bei «20 Minuten» eine Rolle.
Dies sind die Inhalte, die viele Leser der Gratiszeitung mittlerweile als dürftig bezeichnen.
Während früher die Lesedauer durchaus eine ganze Zugfahrt dauern konnte, fliegen die Printausgaben mittlerweile nach kurzem Durchblättern schnell in den Müll.
Spannende Inhalte sind immer weniger vorhanden, weshalb sich die Leser auch abwenden. Seriöser Journalismus heisst beispielsweise auch, kritisch gegenüber Werbekunden zu sein.
Bei «20 Minuten» werben Detailhändler um Migros, Coop & Co. stark – doch kritische Berichte über diese Werbekunden suchten Leser oft vergeblich, weshalb die Glaubwürdigkeit von Medienprodukten sinkt.
Kompetenz bringt Inhalte
Bei muula.ch bleiben die Leser im Schnitt bis zu 9 Minuten. Andere Presseerzeugnisse können von solchen Werten nur träumen.
Unser Wirtschaftsnews-Portal bringt also spannende Inhalte, was die lange Verweildauer verdeutlicht.
Dafür braucht es aber qualifizierte Fachredaktoren. Auf Schweizer Redaktionen sind allerdings mittlerweile günstige Praktikanten, die ganze Zeitungen füllen, vielerorts die Realität geworden.
Fast 30 Prozent des Personals weg
Mit alldem sinken die Werbeeinnahmen. Die TX Group muss mit der Einstellung des Printproduktes auch die Redaktion und den Verlag verkleinern.
Dabei fallen 80 der rund 300 Vollzeitstellen weg, teilte das Medienhaus weiter mit.
Obsolet werden auch die Regionalbüros in Basel, Genf, Luzern und St. Gallen per Ende 2025.
Regionale News blieben aber weiterhin ein Bestandteil der Berichterstattung und würden durch ein «agiles Korrespondentennetz» abgedeckt, hiess es. Was auch immer das sein mag.
17.06.2025/kut.