Chlorhühner und Hormonfleisch gegen Arbeitsplätze

Hühner auf einer Stange
Schweizer dürfen künftig mit Chlor behandelte Hühner essen. (Symbolbild: pixabay)

Die USA wollen für die Schweiz ihre Importzölle senken. Doch sowohl der Preis als auch die Risiken sind beträchtlich bei dem Unterfangen.

Eine Absicht bezeichnet im rechtlichen Kontext eine besonders zielgerichtete Form des Wollens.

Kombiniert man das Wort noch mit «rechtlich unverbindlich», wie es die Schweiz und die USA bei ihrem neuen «Zoll-Deal» gemacht haben, wird der Vorsatz wieder schwächer.

Direktinvestitionen von 200 Milliarden

Was haben Bern und Washington da also in ihrer rechtlich unverbindlichen Absichtserklärung unterzeichnet, bei der im Gegenzug die US-Strafzölle von 39 Prozent auf das EU-Niveau von 15 Prozent sinken sollen?

Die Antwort ist ganz einfach. Es ist ein Murks, also eine schlecht ausgeführte Arbeit und ein mangelhaftes Ergebnis.

Erstens sollen Schweizer und Liechtensteiner Unternehmen in den USA direkt 200 Milliarden Dollar bis 2030 investieren, wobei 2026 schon 67 Milliarden Dollar fliessen müssen.

Schwache Garantie

Wie kann der Schweizer Staat so etwas garantieren?

Nun, es geht gar nicht, wie die Schweizer Unterhändlerin Helene Budliger Artieda, Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, an der Medienkonferenz am Freitagabend selbst einräumte. Allenfalls bei Rüstungsgütern könnte Bundesbern so etwas vornehmen.

Somit ist dieser Punkt schon mal in der Schwebe. Und was machen die USA unter Präsident Donald Trump, wenn es nur 199 Milliarden Dollar wären?

Werden dann rückwirkend doch die 39 Prozent an US-Strafzöllen auf die Schweizer Exporte fällig?

Es ist nicht klar.

Peanuts beim Agrarmarkt

Die Schweiz gewährte den USA im Rahmen der Übereinkunft, zweitens, zollfreie bilaterale Zollkontingente auf ausgewählte US-Exportprodukte: Für Rindfleisch gilt ein Umfang von 500 Tonnen, für Bisonfleisch 1000 Tonnen und für Geflügelfleisch 1500 Tonnen.

Dabei seien explizit Chlorhühner und Hormonfleisch aus den USA gemeint, ergab auch die Medienkonferenz in Bern mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin.

Ein Kilo Rindfleisch kostet in der Schweiz ungefähr 50 Franken, Geflügel kommt auf etwa 15 Franken pro Kilogramm und bei Bison sind es vielleicht 100 Franken pro Kilo.

Die Einfuhr käme auf 25 Millionen Franken für Rindfleisch, 100 Millionen Franken für Bisonfleisch und etwa 25 Millionen Franken für das berühmte Chlorhühnchen, was zusammen bloss 150 Millionen Franken ergibt.

Vier Amtssprachen hemmen

Doch wer soll so etwas in der Schweiz kaufen? Wahrscheinlich bei einem günstigen Dollarkurs nur die ärmeren Bevölkerungsschichten.

Und was, wenn sich der kleine Schweizer Markt mit vier Amtssprachen für die Amerikaner nicht lohnt? Die Schweiz pocht bei Landwirtschaftsimporten bekanntermassen immer auf eine teure Um-Etikettierung.

Gehen die Zölle im Misserfolgsfall wieder auf 39 Prozent? Kauft der Schweizer Staat notfalls mit Steuergeld die Agrarprodukte und kippt sie auf die Müllhalde?

Es ist nicht klar.

Auch 15 Prozent belasten stark

Das KOF Institut an der ETH Zürich um Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach rechnete sofort aus, dass der gesenkte Zollsatz von 15 Prozent ein Plus des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) zwischen 0,3 und 0,5 Prozent bedeuten würde.

Da der Zeitpunkt des Inkrafttretens der niedrigeren Zolltarife noch nicht klar ist, stehen die Wirkungen aber noch in den Sternen.

«Der neue Zollsatz bringt Erleichterung, allerdings bleiben erhebliche Belastungen und Risiken für die Schweizer Volkswirtschaft bestehen», ordnete Gersbach die Absichtserklärung denn auch ein.

Der verbleibende Zollsatz beeinflusse die betroffenen Industrien um die Uhrenbranche, Präzisionsinstrumente, den Maschinenbau und die Nahrungsmittelindustrie nämlich weiterhin deutlich.

Schweizer Markt vernachlässigen

Ein erhebliches Risiko besteht aber auch in den Bestrebungen der US-Administration, die Preise für Medikamente in den USA zu senken.

Zusammen mit den Investitionen der Schweizer Pharmaindustrie um Roche, Novartis, Sandoz & Co., die derzeit rund 6 Prozent des Schweizer BIP ausmacht, könnte der wichtige Industriezweig leiden.

Die Massnahmen seien beträchtliche volkswirtschaftliche Risiken, welche, je nach Szenario, das BIP-Wachstum in den nächsten Jahren spürbar reduzieren könnten, mahnte KOF-Professor Gersbach.

Technischer Fortschritt gefährdet

Die Direktinvestitionen in den USA durch Schweizer Firmen könnten auch generell zu geringeren Investitionen in der Schweiz führen, was die Kapitalbildung und den technischen Fortschritt in der Schweiz beeinträchtigen könnte.

Die Marktzugeständnisse für Importquoten im Agrarsektor spielten im gesamtwirtschaftlichen Rahmen zwar keine grosse Rolle, hiess es auch von den ETH-Wissenschaftern.

Doch warum hat die Schweiz diese Zugeständnisse überhaupt gemacht?

Es ist nicht klar.

Ein anderer Ansatz wäre besser

Hätte der Zollsatz von 39 Prozent für längere Zeit weiterbestanden, wären gemäss den Schätzungen des KOF Instituts 7500 bis 15.000 Vollzeitstellen in der Schweiz in den betroffenen Branchen gefährdet gewesen.

Nun lässt die Schweiz Chlorhühner und Hormonfleisch ins Land und ruiniert möglicherweise ihre eigene Volkswirtschaft für die Zukunft mit Arbeitsplatzverlusten, nur um 4 Prozent der Exporte mit einem günstigeren Zollsatz zu beglücken.

Viel besser wäre für die Schweiz der KOF-Ansatz zur Reduktion des Handelsbilanzdefizits gewesen, über den muula.ch berichtete.

Eine Absicht ist im rechtlichen Kontext eine besonders zielgerichtete Form des Wollens. Doch bei genauerer Betrachtung dürfte wohl genau das Gegenteil dahinterstecken.

15.11.2025/kut.

Chlorhühner und Hormonfleisch gegen Arbeitsplätze

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