Bundesrat erklärt Schweizer Weg bei Taiwan-Beziehungen

Hauptstadt von Taiwan, Taipei
Die Schweiz und Taiwan haben viele Gemeinsamkeiten. (Bild: K. Hugo / pixabay)

Die Schweiz muss – wie alle Länder – einen Weg zu Taiwan finden, ohne China vor den Kopf zu stossen. Ein neuer Bericht des Bundesrates zeigt, wie der Schweizer Spagat geht.

Wenn die Berner Administration eine Medienmitteilung mit dem Titel «Publikationshinweis» veröffentlicht, müssen Medien immer genau hinsehen.

Mit einem solch profanen Titel versuchen Behörden, die Aufmerksamkeit von wichtigen Themen abzulenken.

Am heutigen Mittwoch hat die Schweiz nun wieder so einen «Publikationshinweis» veröffentlicht und der hat es in sich. Es geht um die Beziehungen der Schweiz zu Taiwan.

Viele Vorteile für beide

Mit der Anerkennung der Volksrepublik China durch den Bundesrat am 17. Januar 1950 habe sich die Schweiz zu einer Ein-China-Politik bekannt, welche die diplomatische Anerkennung Taiwans ausschliesst, hiess es gleich zu Beginn eines spannenden Berichts.

Die notwendigen Kontakte zwischen der Bundesverwaltung und den Behörden in Taipeh fänden daher auf Fachebene statt.

«Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese Kontakte für beide Seiten vorteilhaft sind», erklärte die Schweizer Regierung aber.

Pragmatischer Weg

Der Bundesrat begrüsse den demokratischen Charakter der Lokalbehörden und der taiwanischen Gesellschaft sowie ihre liberale Wirtschaftspolitik.

Diese Merkmale machten Taiwan zu einem verlässlichen Handelspartner und fördern einen regen interinstitutionellen Austausch, erklärte die Schweiz offiziell weiter.

Dieser Austausch habe es ermöglicht, ein gegenseitiges Verständnis der jeweiligen Systeme aufzubauen und sich auf die aktuelle Vorgehensweise im Bereich des fachlichen Austauschs zu einigen.

Es handele sich somit um eine pragmatische Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer Interessen. «Für den Bundesrat ist zudem zentral, dass die Beziehungen zu Taiwan nicht politisch instrumentalisiert werden», erklärte die Regierung zum Schweizer Spagat.

Austausch bringt Milliarden

Die Schweiz schliesst zwar keine Verträge mit Taiwan ab, da sie Taiwan nicht als eigenständigen Staat anerkennt.

Liege aber ein überwiegendes Interesse der Schweiz an einer Regelung vor, sei jedoch der Abschluss eines Abkommens auf privatrechtlicher Ebene möglich, so die indirekte Vorgehensweise.

Das bilaterale Handelsvolumen betrug im Jahr 2021 rund 3,7 Milliarden Franken, auch wenn der Report später bloss noch von 3,7 Millionen Franken laut der Eidgenössischen Zollverwaltung fälschlicherweise spricht.

Export von Pharma

Taiwan ist nämlich der neunzehntwichtigste Handelspartner der Schweiz und der sechswichtigste in Asien.

Die Handelsbilanz weise einen Überschuss von 605 Millionen Franken zugunsten der Schweiz aus. Die wichtigsten Importprodukte aus Taiwan sind Schmuck, Computer und Halbleiter, weil Taiwan bei Letzterem führend ist.

Die hauptsächlichen Exportprodukte nach Taiwan sind Pharmazeutika, Gold und ebenfalls Schmuck.

Mehr Aufwand bringt wenig

Taiwan hat sogar Freihandels- oder Wirtschaftskooperationsabkommen mit acht Staaten abgeschlossen, darunter die Volksrepublik China (2010), Neuseeland (2013) und Singapur (2013).

Die Abkommen mit Neuseeland und Singapur seien aber mit Unterstützung Pekings in einer Phase der Entspannung zwischen der Volksrepublik China und Taiwan ausgehandelt worden. 

Laut einer Studie eines Wirtschaftsforschers der Universität Zürich könnte die Schweizer Exportindustrie bei einer Aufhebung der Zölle bis zu 42 Millionen Franken sparen.

Kaum Nachteile

In derselben Studie wird zugleich festgehalten, dass sich die Rahmenbedingungen für Schweizer Exporte nach Taiwan Jahr für Jahr den Freihandelsbedingungen annäherten.

Zum jetzigen Zeitpunkt ergeben sich, soweit bekannt, keine Nachteile für die Schweizer Wirtschaft daraus, dass sie keinen bevorzugten Zugang zum taiwanischen Markt hat. 

Der Bundesrat erachtet es angesichts des Gesamtkontextes und der internationalen politischen Lage aktuell nicht als zweckmässig, das Thema Freihandelsabkommen zu vertiefen.

Er hält es für sinnvoller, die Chancen für ein Wirtschaftsabkommen dann zu prüfen, wenn der regionale Kontext geeigneter ist. Grundlage für ein solches Abkommen müssten aber die WTO-Regeln sein.

Zuwachs von 400 Prozent

So bleibt quasi neben etwas Kultur- und Wissenschaftsaustausch nur ein einziges Gebiet, wo die Schweiz und Taiwan gut zusammenarbeiten könnten. Die Rede ist vom Tourismus und das sieht die Situation folgendermassen aus:

Die Schweiz erfreut sich bei taiwanischen Touristen nämlich grosser Beliebtheit.

In den zehn Jahren vor der Covid-19-Pandemie betrachtete Schweiz Tourismus Taiwan als strategisch wichtigen Wachstumsmarkt. Die Übernachtungen von Taiwanerinnen und Taiwanern in der Schweiz nahmen zwischen 2010 und 2019 um unglaubliche 376,5 Prozent zu.

Die Gesamtausgaben der taiwanischen Bevölkerung für Auslandsreisen haben sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt. Der Tourismus zwischen den beiden Reiseregionen wird dadurch erleichtert, dass gemäss den Schengenregeln für Aufenthalte von bis zu 90 Tagen kein Visum benötigt wird.

Ausreichend gute Anbindung

Die Swissair flog von 1995 bis 2001 über ihre Tochter Swissair Asia zweimal pro Woche von Zürich aus Taipeh an.

Seit ihrer Insolvenz wird diese Strecke nicht mehr bedient. Das Angebot zu Flughäfen in der Nähe der Schweiz sei heutzutage aber grösser als je zuvor.

Eine Direktverbindung der Schweiz zu Taiwan ist aber offenbar nicht geplant.

Ausbau der Beziehungen

Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Schweiz und Taiwan zahlreiche gesellschaftliche und institutionelle Gemeinsamkeiten aufweisen.

Zu diesen gehören eine demokratische Rechts- und Gesellschaftsordnung, die mit den Menschenrechten und dem Völkerrecht in Einklang steht sowie die individuelle Freiheit und eine liberale Wirtschaftsentwicklung fördert.

Diese gemeinsamen Werte begünstigen den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zwischen den Institutionen und der Bevölkerung beider Seiten. 

Die Ein-China-Politik der Schweiz schliesst diplomatische Beziehungen – bilaterale Verträge eingeschlossen – mit Taiwan allerdings aus. Kontakte auf fachlicher Ebene sind aber möglich und werden vom Bundesrat ausdrücklich gefördert.

Spitzentechnologie sichern

Der Bundesrat plant zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts keine Gespräche über ein Freihandelsabkommen. Er befürwortet aber die Aufnahme von Fachgesprächen mit den Behörden in Taipeh über die wirtschaftliche Zusammenarbeit und mögliche Investitionen.

Bei solchen Gesprächen könnten auch Themen, wie die Versorgungsketten im Bereich der Spitzentechnologie, behandelt werden. 

Die Schweiz ist zwar der Auffassung, dass für den Bund direkt kein Handlungsbedarf in Bezug auf die weitere Intensivierung dieser Beziehungen bestehe.

Elegante Lösung

Die Unternehmen sowie die akademischen, kulturellen, touristischen und sportlichen Einrichtungen in der Schweiz verfügten aber über die nötige Freiheit, um Beziehungen nach Taiwan aufzubauen beziehungsweise ihre bestehenden Beziehungen zu Partnern in Taiwan zu intensivieren.

Das ist doch angesichts der schwierigen Situation mit China eine elegante Lösung.

All dies hätten die Schweizer Beamten gar nicht nur mit einem «Publikationshinweis» versehen müssen.

19.04.2023/kut.

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