Bundesgericht schafft Chaos im Handelsregister

Ampeln an einer Kreuzung mit unklaren Signalen
Das Bundesgericht schafft Durcheinander im Handelsregister. (Bild: G. Montani / pixabay)

Zwei Firmen streiten um den Namen TX Group im Handelsregister. Das Bundesgericht richtet mit seinem Urteil nun noch mehr Schaden an.

Das Bundesgericht hat sich hinter formalen Gründen versteckt und schafft mit einem neuen Urteil völlige Konfusion im Schweizer Handelsregister.

Dadurch wird die Transparenz im Wirtschaftsverkehr stark beeinträchtigt, wie am heutigen Montag aus einem publizierten Entscheid von Ende Juni 2024 hervorging.

Klarheit völlig ignoriert

Demnach dürfen zwei Aktiengesellschaften im Schweizer Handelsregister denselben Namen tragen – eigentlich ein No-Go in der Geschäftswelt.

Eine Firma aus St. Gallen, die sich im Jahr 2019 zuerst den Namen TX Group sicherte, unterlag mit ihrer Beschwerde vor dem höchsten Schweizer Gericht.

Die Zürcher Mediengruppe Tamedia, die ihre Umfirmierung später im Handelsregister eintrug, darf diesen Namen nun auch tragen.

Damit ducken sich die Richter vor dem Medienhaus, das unter anderem den Zürcher «Tages-Anzeiger» und die «SonntagsZeitung» herausgibt.

Verstösse gegen Obligationenrecht

Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister sollte eigentlich angewiesen werden, dass es gegenüber dem Handelsregisteramt des Kantons Zürich anordne, die Eintragung dieser Umfirmierung des Verlagshauses zu verweigern, zu widerrufen oder zu berichtigen.

Klar, das Chaos ist ja für die Geschäftswelt gross, wenn im Schweizer Handelsregister plötzlich zwei Firmen mit dem gleichen Namen auftauchen.

Die Beschwerdeführerin aus St.Gallen erklärte vor Gericht, es sei nicht ersichtlich, wie Rechtssicherheit geschaffen oder aufrechterhalten werden könne, wenn zwei Aktiengesellschaften mit identischer Firmenbezeichnung im Handelsregister eingetragen seien.

Diese Situation verstosse gegen das Obligationenrecht (OR). Ein gleichlautender Doppeleintrag sei unhaltbar und gebiete eine amtswegige Korrektur.

Zu spät beschwert

Dies sahen die Bundesrichter unter der Vorsitzenden Christina Kiss aber wie die Vorinstanz, und zwar anders.

Allerdings lehnen sie den Antrag auf Löschung des gleichlautenden Namens mit der fadenscheinigen Begründung ab, dass die Beschwerde zu spät eingegangen sei.

Nachdem die strittigen Einträge Ende Dezember 2019 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) veröffentlicht wurden, wartete die Beschwerdeführerin bis März 2021, um gegen den neuen Namen des Medienunternehmens vorzugehen.

Keine Täuschung erkennbar

Die Beschwerdeführerin machte schliesslich noch geltend, ein korrekt geführtes Handelsregister dürfe nicht von der Beachtung einer Rechtsmittelfrist abhängen.

Doch auch darauf gingen die Richter nicht ein. Entgegen der Ersteinträgerin sein eine Revision des Zweiteintrages nicht zeitlich unbegrenzt zulässig.

Zudem beruhe die Eintragung einer zweiten TX Group AG nicht auf unwahren oder täuschenden Tatsachen. Daher müsse sich vielmehr das Medienhaus auf Rechtssicherheit verlassen können.

Und basta.

Blind auf allen Augen

Die St.Galler Firma ist mittlerweile auch in Zürich registriert und somit wird das Durcheinander perfekt.

Die Bundesrichter, die nunmehr eine Verwechslungsgefahr zulassen, verdeutlichen, dass sie von Wirtschaft praktisch keine Ahnung haben.

Ein ausländischer Geschäftspartner der einstigen Tamedia-Gruppe wird wohl kaum über die rechtlichen Feinheiten des Bundesgerichts informiert sein und eventuell an die falsche TX Group gelangen.

Und was ist, wenn Kriminelle nunmehr das gleiche Verfahren mit nur einem Tag an Unterschied bei der Eintragung ausnutzen, um identische Firmennamen zu registrieren?

Was, wenn die Firma, die TX Group zuerst registriert hat, erst später auf die Verwechslungsgefahr aufmerksam wurde und sich daraufhin an die Gerichte wandte?

Sinn des Gesetzes ignoriert

All dies interessiert das höchste Schweizer Gericht um die Richterin Kiss nicht.

Die Juristin war schon einmal aufgefallen, weil sie sich in einem Grundsatzurteil auf den Vorstoss eines Parteikollegen aus dem Nationalrat stützte, den das Parlament gar nie guthiess.

«Aus den Funktionen des Handelsregisters, wie der Rechtssicherheit, der Transparenz im Wirtschaftsverkehr und dem Gutglaubensschutz Dritter, lasse sich indessen nichts ableiten», so die recht fatale Haltung.

Auch für die Parteien ist dieser Entscheid sicher unbefriedigend. Die Grundsätze der Firmenbildung sind im OR jedoch klar geregelt.

Verschiedene Namen zwingend

Danach muss sich die Firma einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft von allen anderen in der Schweiz eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften oder Genossenschaften deutlich unterscheiden.

Die Handelsregisterämter müssen also dafür sorgen, dass keine identischen Firmen eingetragen werden. Der Sinn des Gesetzes ist also, dass sich Gesellschaften unterscheiden.

Neue Arbeit für Juristen

Im vorliegenden Fall mit Aktenzeichen 4A_64/2024 ist dies nicht erfolgt.

Doch fehlerhafte Entscheide seien nur nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, erklärten die Bundesrichter. Dies sei nicht gegeben.

Für die Wirtschaft ergibt sich damit ein Berg neuer Probleme – aber so sichern sich die Juristen künftige Arbeit.

29.07.2024/kut.

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