Der Krypto-Broker Bitcoin Suisse hat beteuert, dass beim Konkurs der Trading-Plattform FTX niemand gross zu Schaden gekommen sei. Das ist wohl nur die halbe Wahrheit.
Die bekannte Trading-Plattform FTX ist mit ihrem berühmten Chef Sam Bankman-Fried völlig überraschend in die Insolvenz gerutscht und dies hat viele Krypto-Enthusiasten auf dem linken Fuss erwischt.
Auch in der Schweiz machten sich, wie etwa das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch, auf die Suche nach Betroffenen. Doch kaum jemand schien ernsthaft mit dieser doch technologisch herausragenden Plattform etwas zu tun gehabt zu haben.
Mit dem Schrecken davonkommen
Wurde also Geld bei FTX in den Sand gesetzt? Vom Zuger Krypto-Broker Bitcoin Suisse hiess es damals gegenüber der Öffentlichkeit, dass man rechtzeitig eigenes Geld habe abziehen können und eine Mediensprecherin verwies auch gegenüber muula.ch darauf, wie toll doch das eigene Risikomanagement funktioniert habe.
Kundengelder seien bei der FTX-Insolvenz ohnehin nicht verlorengegangen, doch auch Bitcoin Suisse sei quasi mit dem Schrecken davon gekommen, so der Tenor.
Hoffen auf Insolvenzverfahren
Doch das war offenbar nur die halbe Wahrheit.
Im Geschäftsbericht 2022, der muula.ch nun vorliegt und über den das Portal «Inside Paradeplatz» als erster berichtete, ist die Rede, dass Bitcoin Suisse fast 1 Million Franken nicht mehr rechtzeitig von der FTX-Plattform abheben konnte.
Zwar wird in diesem Zusammenhang wieder das eigene Risikomanagement gelobt, doch bei 0,9 Millionen Franken hofft die Zuger Firma nun, aus der Insolvenzmasse noch etwas Geld zurückholen zu können.
Gegenpartei ausgeliefert
Der Name Bitcoin Suisse war bereits, genau wie die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma oder die Zürcher Privatbank Maerki-Baumann, auf der Liste der FTX-Gläubiger des in den USA und in den Bahamas bankrottgegangenen Krypto-Anbieters aufgetaucht.
Dies hatte in der Schweiz gewisse Verwunderung ausgelöst, inwiefern die Finma und auch Bitcoin Suisse überhaupt auf diese Insolvenz geraten sein könnten.
Nunmehr wird klar, wie dies passierte.
Bitcoin Suisse hinterlegt bei anderen Krypto-Häusern jeweils verschiedene Kryptowährungen um Bitcoin, Ethereum & Co., damit die eigenen Kunden ihre Transaktionen über die Blockchains rasch abgewickelt bekommen.
Dies impliziert aber, dass Bitcoin Suisse eigene Coins riskieren muss und einem Gegenparteienrisiko ausgesetzt ist.
Der Betrag von 0,9 Millionen Franken sei aber in der Buchhaltung umgehend abgeschrieben worden, hiess es im Geschäftsbericht weiter.
Schwierige Fragen
Der Wirtschaftsprüfer Grant Thornton hat den Jahresabschluss des Zuger Unternehmens testiert, obwohl in dem Report angegeben wird, dass die offiziellen Buchhaltungsregeln für Digitalwährungen alles andere als glasklar sind.
Nimmt man bei den stark schwankenden Werten die Anschaffungskosten? Nimmt man für diese immateriellen Vermögensgegenstände lieber den Zeitwert?
Bucht man die Coins im Umlauf- oder Anlagevermögen, wenn sie täglich gehandelt oder für einen längeren Zeithorizont gehalten werden sollen?
Alles Fragen über Fragen. Doch meist gibt es nur vage Antworten.
Von Luzern nach Zug
Interessant ist jedoch im Jahresabschluss der Aspekt von Off-Balance-sheet-Coins, welche die Kundschaft bei Bitcoin Suisse hält, die aber nicht dem Broker gehören. Diese verwahrten digitalen Devisen sanken um rund 2,8 Milliarden Franken beziehungsweise um fast 70 Prozent auf nur noch 1,4 Milliarden Franken.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Zuger Kantonalbank der Kundschaft diese Werte ab 1. Dezember 2022 offenbar garantiert, wenn diese als Publikumseinlagen bei einem Anbieter in die Konkursmasse einfliessen würden.
Das Garantie-Geschäft hatte vorher die Luzerner Kantonalbank LKB gehabt, hiess es im Geschäftsbericht.
Hohe Risiken bei Staatsbanken?
Der Wechsel von der Luzerner zur Zuger Kantonalbank, den das regelmässig gut informierte Portal «Inside Paradeplatz» ebenfalls publik gemacht hatte, hatte bereits für Wirbel gesorgt.
Viele Bürgerinnen und Bürger fragten sich, was die Staatsbanken da in der riskanten Kryptowelt machen würden, denn das Volk steht für die Risiken ihrer Staatsbanken gerade. Und auch eine Personalie tauchte in diesem Zusammenhang auf, denn Roger Studer sitzt sowohl im Verwaltungsrat bei der Luzerner Kantonalbank als auch im Aufsichtsgremium bei Bitcoin Suisse.
Die Bargeldbestände von Bitcoin Suisse werden jedoch beispielsweise auch bei Bank Frick, Helvetische Bank, Sygnum Bank sowie Privatbank IAHG Zürich verwaltet, steht im Report.
Kryptowährungen würden aber vorwiegend bei Plattformen wie Bitfinex, Bitstamp, Kraken, Coinbase, Binance, Huobi, Bittrex, Poloniex, Gate.io and Kucoin gehalten, geht weiter hervor.
Abtauchen in Verlustzone
Nun, die Jahresergebnisse sind in den Keller gerutscht. Der Umsatz brach von 145 Millionen Franken auf nur noch rund 11 Millionen Franken ein. Insofern ist fast eine Million Franken bei der FTX-Pleite ein nicht zu verachtender Betrag.
Nach einem Gewinn von 55 Millionen Franken im Jahr 2021 ist im abgelaufenen Geschäftsjahr aber sogar ein Verlust von 34 Millionen Franken angefallen. Es gibt ein Sparprogramm, bei dem auch zahlreiche Stellen wegfallen.
Auslagerung nach Osteuropa?
Doch noch eine Auffälligkeit gibt es am Jahresabschluss.
Denn es wurde im Jahr 2022 in Bratislava eine Tochterfirma gegründet. BTCS Slovakia gehört zu 100 Prozent der Bitcoin Suisse Holding. Die Abkürzung für Bitcoin lautet BTC, abgeleitet aus der kleinsten Digitaleinheit und dem Wort Coin, was Münze bedeutet.
Vielleicht hat die Neugründung in Osteuropa mit Auslagerungen von Services an einen günstigeren Standort in der Slowakei zu tun.
Auf die Erklärungen von Bitcoin Suisse zum Hintergrund dieser Massnahme kann man wahrscheinlich nicht mehr viel geben, denn es könnte wohl wieder nur die halbe Wahrheit sein.
15.06.2023/kut.