Bundesrat versetzt vielen Künstlern den Todesstoss

Ein Künstler beim Anfertigen eines Graffiti. (Symbolbild: E. Goody / unsplash)

Der Bundesrat zwingt Geringverdiener künftig zum Vorsorgesparen. Doch auch sonst fällt die Regierung den Selbstständigen in den Rücken.

Die Schweiz zwingt Personen mit kurzen Arbeitseinsätzen und geringfügigen Löhnen künftig in das Sozialwert AHV einzuzahlen.

Die Befreiung von der AHV-Beitragspflicht werde aufgehoben, teilte der Bundesrat am heutigen Freitag überraschend mit.

Von Null auf Voll

Die Landesregierung habe die entsprechenden Änderungen der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung beschlossen, hiess es weiter.

Die Neuregelung trete bereits am 1. Januar 2026 in Kraft.

In der AHV gilt derzeit noch für Personen, die nur sporadisch einer gering bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Beitragsbefreiung.

Wer also weniger als 2500 Franken pro Kalenderjahr und Arbeitgeber verdient, ist nicht beitragspflichtig.

Museen und Chöre im Fokus

Allerdings gebe es Branchen, in denen Versicherte ihr Einkommen mit vielen kurzen Arbeitseinsätzen bei verschiedenen Arbeitgebern verdienen, erklärte der Bundesrat weiter. Betroffen seien Haushaltshilfen oder Beschäftigte im Kultur- und Medienbereich, hauptsächlich Kulturschaffende. Auch Aushilfen sind mit erfasst.

Künftig würden sie gut abgesichert, liess der Amtsschimmel positiv verlauten. Die Liste mit Unternehmen, denen keine Ausnahme mehr gewährt wird, werde um die Kategorien Design, Museen, Medien und Chöre ergänzt.

Frage der Finanzierung offen

Wie Künstler, Journalisten oder Designer von dem wenigen Geld, das sie meist für ihre Arbeit bekommen, auch noch AHV-Beiträge abstottern sollen, ist dem Bundesrat egal. Viele werden einen anderen Broterwerb suchen müssen.

Bei einem Beispiellohn von etwas unter 2500 Franken pro Jahr bei vier Firmen fallen künftig 640 Franken für Beiträge weg. Bei acht Auftraggebern sind es schon 1280 Franken von 20.000 Franken Jahressalär.

Dieser Personenkreis mit häufig wechselnden Arbeitgebern und Arbeitseinsätzen werde künftig gut abgesichert, hiess es und basta.

Mehrkosten für Arbeitgeber

Die Erweiterung des Arbeitgeberkatalogs im Kultursektor führt dazu, dass Arbeitgeber neu auch auf geringfügigen Löhnen Beiträge an die AHV, IV, EO und ALV zu entrichten haben.

Dies macht für die Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmenden je 6,4 Prozent des Lohns aus.

Klar fliessen somit Beiträge in die klammen Sozialkassen. Doch die Menschen, die neu einzahlen müssen, erhalten auch Leistungsansprüche, die der Bundesrat aufgrund «fehlender Daten» aber gar nicht erst abschätzen lässt.

Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer einen geringfügigen Lohn erhalten, müssen sich künftig einer Ausgleichskasse anschliessen, steht im erläuternden Bericht.

Der Amtsschimmel und die Bürokratie freuen sich.

Probleme in die Zukunft verlagert

Letztlich klopft sich der Bundesrat mit dem Entscheid selbst auf die Schulter, denn er mindert das Risiko, dass die betroffenen Personen im Rentenalter oder bei Invalidität auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein werden.

Wie viele Geringverdiener überhaupt Ergänzungsleistungen bezogen haben, verschweigt der Bund. Von weniger Eigenverantwortung spricht die Schweizer Landesregierung ebenfalls nicht.

Bis die aktuelle Generation in Ruhestand geht und Leistungen aus der AHV & Co. fällig werden, ist der derzeitige Gesamtbundesrat, welcher den Entscheid zu verantworten hat, über alle Berge.

Doch die Beitragszahlungen kommen ab Januar 2026, wohlgemerkt.

Angestellt oder selbständig?

Darüber hinaus fällt der Bundesrat den Selbständigen noch generell in den Rücken.

Nationalrat Jürg Grossen hatte bereits am 27. September 2018 eine parlamentarische Intitiatve eingebracht, die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden im Sozialversicherungsrecht klarer zu regeln.

Hintergrund ist, dass Selbstständige von den Ausgleichskassen oft jahrelang nicht aus der Sozialversicherungspflicht entlassen werden, weil der Staat vermutet, dass sie eigentlich verkappte Angestellte sind.

Jahrelanges Tauziehen

Das geltende System zur Bestimmung des Selbstständigkeitsstatus sei klar und flexibel, bekräftigte der Bundesrat an seiner heutigen Sitzung und will nach Jahren der Unklarheit nichts ändern.

Im Gesamtbericht steht aber sogar, im «Sozialversicherungsrecht ist die Abgrenzung von selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit tatsächlich nur knapp geordnet».

Der Bundesrat erklärte, 90 Prozent der Fälle würden letztlich entschieden. Doch das jahrelange Tauziehen mit den Behörden ignoriert die Regierung.

Viele geben auch nach einiger Zeit auf, wie muula.ch von zahlreichen Betroffenen weiss, die eigentlich nicht als Arbeitnehmer gelten, aber dem Druck der Ausgleichskassen nachgaben und Beiträge, wie Angestellte, abdrücken.

Wille der Betroffenen entfällt

Damit profitieren wieder die klammen Sozialkassen, denn die Arbeitnehmer zahlen dann Beiträge ein. Bei Selbstständigen wäre die Absicherung in der Eigenverantwortung.

Es bleibt bei der unklaren Unterscheidung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit und damit jahrelangen Kämpfen mit den Ausgleichskassen.

Die Berücksichtigung des Willens der Personen, die eigentlich Selbständige sein wollen, bleibt unberücksichtigt.

21.03.2025/kut.

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