Schweiz verfremdet Inflationsstatistik erneut

Zwei Frauen, die auf Statistiken auf einer Tafel zeigen
Schweizer Statistiker nehmen erneut Einfluss auf die Teuerungsmessung. (Symbolbild: pixabay)

Das Bundesamt für Statistik BFS verschiebt wieder Anteile im Warenkorb der Teuerung. Die Realitäten sehen in der Schweiz aber anders aus.

Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast, soll Winston Churchill einst gesagt haben.

Der Satz, der dem ehemaligen britischen Premierminister zugeschrieben wird, passt derzeit wieder gut auf die Schweiz.

Anteile am Budget erfragt?

Das Bundesamt für Statistik BFS hat nämlich am Donnerstag neue Gewichtungen für den Warenkorb bei der Inflationsberechnung bekanntgegeben und die Entwicklungen widersprechen völlig der Wirklichkeit.

Dies mag verwundern, denn die Statistiker berufen sich dabei auf die Erhebung des Haushaltsbudgets der Schweizer.

Doch Kritiker sagen, das BFS habe da wohl eher die Menschheit auf dem Mond als in der realen Schweiz befragt.

Sinkende Energiepreise

So erhöhte sich der Anteil am Warenkorb für Wohnen und Energie im Jahr 2025 von 25,25 auf 27,00 Prozent.

Die Steigerung verwundert, denn mit den rasant sinkenden Hypothekarzinsen sinken die Bestandsmieten und praktisch alle Energieversorger kündigten markante Energiepreissenkungen für dieses Jahr an.

Im Warenkorb des BFS, welcher die wichtigsten konsumierten Waren und Dienstleistungen der Privathaushalte beinhalten soll, wirkt dies aber so, als würden die Menschen mehr von ihrem Haushaltsbudget für diese zwei Posten ausgeben.

Gewiss, es ist ein Durchschnittswert. Doch die Darstellung widerspricht klar den Gegebenheiten.

Völlig konträre Entwicklungen

Das BFS erhöhte also just in Zeiten sinkender Mietzinse den Anteil für Wohnungsmieten im Teuerungsindex von 18,4 auf 19,9 Prozent. Dies hat einen grossen Einfluss, denn es sind 1,5 Prozentpunkte mehr.

Als sich die Mieten in der Schweiz aufgrund steigender Zinsen explosionsartig erhöhten, senkte das BFS den Warenkorb-Anteil und die Auswirkungen auf die Teuerung verringerten sich, wie muula.ch aufdeckte und landesweit für Aufsehen sorgte.

Die Statistiker halfen dabei, die Teuerung niedriger zu machen.

Urbane Städte beliebt

Solche fehlerbehafteten Abbildungen kann man noch an weiteren Posten sehen.

Gibt eine Schweizer Durchschnittsfamilie noch ein Zehntel ihrer Miet- und Energiekosten für Nachrichtenübermittlung aus? Wohl kaum, würden die kostenlosen Nutzer von WhatsApp, Threema & Co. behaupten.

Warenkorbanteile laut BFS für die Inflationsmessung
Das BFS schraubt wieder an den Anteilen im Warenkorb. (Screenshot: muula.ch)

Doch der Anteil des Warenkorbs beträgt noch rund 2,6 Prozent. Auf ein Haushaltsbudget von 10.000 Franken im Monat übertragen, würde dies bedeuten, dass 2700 Franken für Miete und Energie aufgewendet und 260 Franken für Nachrichtenübermittlung ausgegeben würden.

Die Realität dürfte in der Bevölkerung, die zum überwiegenden Teil in teuren Grossstädten Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Genf lebt, völlig anders aussehen.

Monatsmieten von 2700 Franken für eine Durchschnittsfamilie in Zürich & Co. sind utopisch, selbst wenn es noch einige Altmieter mit günstigen Mietverträgen gibt.

Krankenkassenprämien als Problem

Interessant an den Änderungen ist auch der Anteil der Ausgaben für Gesundheitspflege. Dieser kommt nunmehr auf 15,6 Prozent des Haushaltsbudgets und entspricht in keiner Weise der Wirklichkeit.

Als Teil des Systems der Schweiz folgt der Landesindex der Konsumentenpreise LIK für die Abgrenzung des privaten Konsums der Definition der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Daher sind im LIK-Warenkorb somit Transferausgaben, also etwa Krankenversicherungsprämien, gar nicht enthalten.

Diese drücken aber stark auf die Ausgaben der Menschen. Rund ein Drittel der Bevölkerung kann die Beiträge der Grundversicherung nicht mehr selbst aufbringen, und im Haushaltsbudget spielt das ganze Thema der gigantischen Erhöhungen gar keine Rolle.

In der Statistik kommen aber nochmals 15,6 Prozent an Gesundheitsausgaben, welche die Menschen auf freiwilliger Basis tätigen, hinzu.

900 Franken für Kultur

Und so können alle Posten hinterfragt werden.

Der Anteil am Warenkorb für «Freizeit und Kultur» steigt von 8,3 auf 9 Prozent.

Warenkorbanteile der Inflation 2024 laut BFS
Gaben die Schweizer ihr Geld im Jahr 2024 gemäss diesen Anteilen vom BFS aus? (Bild: PD)

Doch wer gibt im Monat bei einem Budget von 10.000 Franken rund 900 für Kultur aus, wenn aufgrund wirtschaftlichen Spardrucks alle den Gürtel enger schnallen müssen.

Restaurants und Hotels sind in dieser Position wohlgemerkt noch nicht einmal enthalten, die kommen mit 950 Franken im Monat obendrauf.

Basis für die Geldpolitik

«Die nächste umfassende ­ inhaltliche und methodische Überprüfung des Landesindexes findet mit der Revision 2025 statt», gab das BFS zumindest an und will die Berechnungsgrundlage, die seit dem Jahr 2000 gilt, überdenken.

Dies ist wegen der Glaubwürdigkeit der offiziellen Daten und der Ausrichtung der Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank SNB auf diese Teuerungsstatistik extrem wichtig.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Messung der Inflation in der Schweiz mehr an den tatsächlichen Gegebenheiten orientiert. Die Mehrheit der Bevölkerung des Landes hat einen völlig anderen Warenkorb als das BFS unterstellt.

Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss, könnte Churchill bezüglich der Schweizer Statistiken da wohl auch gesagt haben.

14.02.2025/kut.

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