Der Detailhändler Migros will 140 neue Filialen eröffnen und senkt die Preise auf Discounter-Niveau. Passt diese Strategie aber in die Neuzeit?
Wer den Paketboten zu seiner Arbeit befragt, dürfte Zweifel an der Strategie von Migros haben, welche der Detailhandelsriese am heutigen Montag bekanntgab.
Internet als Zukunft
Die Kunden würden Drogerieartikel online bestellen, obwohl sie genau über der Drogerie wohnten, lautet nämlich das Fazit von vielen Lieferdiensten.
Genau dies ist auch der Eindruck für Supermärkte. Immer mehr Menschen bestellen im Internet und lassen sich die Waren einfach nach Hause liefern.
Selbst bei Obst und Gemüse spiele es für viele Kunden mittlerweile gar keine Rolle mehr, die Ware eigenhändig auszusuchen.
Ist die Mango zerquetscht, bestellt man eben einfach eine Neue oder reklamiert sie.
Distanzen im Fokus
Genau in dieser Gemengelage platzte der Detailhandelsriese allerdings mit der Nachricht, 140 neue Filialen eröffnen zu wollen.
Geplant seien mehrheitlich kleine M-Filialen in Gebieten, in denen die Bevölkerung stark wachse, erklärte die Migros.
Damit würde für weitere 200.000 Haushalte die Migros der nächstgelegene Supermarkt sein.
Distanzen, so illustrieren die Lieferdienste, spielen aber heutzutage kaum noch eine Rolle.
Schweizer Verbraucher bestellen heutzutage selbst Kleinstartikel direkt einzeln in China.
Rund 2 Milliarden investieren
Bis zum Jahr 2030 werde das Filialnetz der Migros von derzeit knapp 790 auf rund 930 wachsen, frohlockte der Detailhandelsriese aber.
Der Kostenpunkt für die Expansion betrage in den kommenden fünf Jahren rund 2 Milliarden Franken.
Dabei würden auch bestehende Supermärkte modernisiert, hiess es.
Chef vom Denner an der Spitze
Doch das ist nicht der einzige Strategieschritt, der Stirnrunzeln aufwirft.
Landesweit sollen die Preise von mehr als 1000 beliebten Alltagsprodukten auf Discount-Niveau gesenkt werden, teilte die Migros mit. Den Auftakt machten mehr als 60 Obst- und Gemüsesorten am heutigen Montag.
Allein in Preissenkungen werde die Migros in den nächsten fünf Jahren 500 Millionen Franken investieren.
Mario Irminger, Präsident der MGB-Generaldirektion, erklärte, dass dies dank der Trennung von verlustreichen Geschäften, bewusst kleineren Gewinnmargen und aufgrund von Effizienz- sowie Kostenvorteilen möglich sein solle.
Kampfpreise wegen tieferer Kosten
Warum es dann aber die Unterscheidung zwischen dem konzerneigenen Discounter Denner und der teureren Migros noch braucht, sagte der «Orange Riese» nicht.
Bekanntermassen verdient das Denner-Personal deutlich weniger als die Migros-Belegschaft; der Detailhandelsriese operiert im Discount-Bereich meist an viel günstigeren Standorten also mit einer deutlich besseren Kostenstruktur und kann dadurch mit Kampfpreisen am Markt auftreten.
Auch wollen sich immer mehr Menschen in der Schweiz gesünder ernähren und achten auf die Qualität von Produkten. Der Preis spielt da oftmals kaum eine Rolle, wie Bioläden im Quartier eindrücklich zeigen.
Discounter-Konzept über alles
Statt sich auf die Stärken bei seinen Supermärkten, wie ein breiteres Angebot, höhere Produktqualität, gut gelegene Ladengeschäfte und auf einen besseren Kundenservice, zu konzentrieren, kopiert die Migros im Stammhaus nun das Discounter-Konzept mit Fokus auf günstige Preise.
Dies dürfte wahrscheinlich am Chef Irminger liegen, der von Denner kommt, tuschelten Beobachter am heutigen Montag.
Doch Kunden assoziieren die Migros kaum mit günstigen Verkaufspreisen.
Konkurrenz lacht sich ins Fäustchen
Wenn die Migros ihre Supermärkte auf Discounter-Niveau bringt, wird es eher nicht die Genossen, sondern die Konkurrenten um Coop, Manor und Globus freuen.
Denn diese Detailhändler gehen genau in die andere Richtung – sie bauen den Online-Handel aus und versuchen, die Zahlungsbereitschaft der Kunden für alle Artikel zu erhöhen.
Nach vielen Strategiefehlern muss die Migros derzeit hohe Verluste in Kauf nehmen, wie muula.ch berichtete.
Besonders die Fachmärkte leiden unter dem Online-Handel. Mit der neuen Strategie bei Migros scheinen sich allerdings auch neue Fehler abzuzeichnen.
28.10.2024/kut.