Schweizer Banken ermahnen Bund zur Rechtsstaatlichkeit

Hammer eines Richters gibt einem Beamten einen Schlag auf den Kopf
Die Öffentlichkeit soll eine Aufweichung des Rechtsschutzes nicht einfach hinnehmen. (Bild: M. Hassan / pixabay)

Es ist kaum zu glauben, wie Schweizer Behörden das Recht mit Füssen treten. Dabei hat Rechtssicherheit einen hohen Stellenwert in der Schweiz.

Die Redaktion von muula.ch hatte sich im März dieses Jahres über das Communiqué des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen SIF zunächst gewundert.

Prinzipien ignorieren

Doch auch die Befragung von Experten konnte zu der kaum verständlichen Medienmitteilung über «OECD präzisiert den Kommentar zu Artikel 26 (Informationsaustausch) des Musterabkommens» keine Anhaltspunkte finden, was sich konkret ändert.

Nun, Monate später wird allerdings klar, dass die Bundesbeamten das Schweizer Recht mit diesem Communiqué einfach ignorieren und die Schweiz ihre Prinzipien des Rechtsschutzes damit über den Haufen warf.

Banken laufen Sturm

Schon seit Jahren tauscht die Schweiz gewisse Informationen mit den Steuerbehörden anderer Länder aus, wenn diese die Schweiz anfragen. Den sogenannten Standard der OECD «OECD 26» für diesen Austausch auf Anfrage hat die Schweiz bereits im Jahr 2009 übernommen.

Nun weiten die Schweizer Behörden diesen Standard jedoch still und leise aus und höhlen den Rechtsschutz für unbetroffene Dritte aus, wie die Schweizerische Bankiervereinigung SBVg in ihrem jüngsten Newsletter darlegt.

Namen von Anwälten liefern

Die Ergänzung erlaubt den Staaten explizit die Übermittlung und Verwendung der Daten von Personen, die in der Anfrage aber gar nicht genannt werden – voraussichtlich unbeteiligte Dritte.

Die Schweiz hat bisher diesen Dritten – beispielsweise dem Bankmitarbeiter, dessen Namen auf dem Beleg steht oder dem Zahnarzt beziehungsweise Anwalt, dessen Rechnung vom Konto ausbezahlt wurde – einen Rechtsschutz gewährt und ihre Informationen nicht übermittelt, ausser es wurde ausdrücklich danach gefragt.

So konnte verhindert werden, dass die Angaben tausender Personen, welche für die Untersuchungen nicht relevant waren, geschützt bleiben konnten.

Bundesgericht war dagegen

Diese Praxis der Schweiz wurde letztmals sogar im Jahr 2020 durch einen Entscheid des Bundesgerichts bestätigt.

Doch das SIF teilte zusammen mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV mit, dass die Neuerungen im OECD-Kommentar ab sofort übernommen würden.

Im Jahr 2023 hatte das Bundesgericht eine solche Vorgehensweise aber sogar untersagt, wie die SBVg ausführte.

Anderen Weg beschreiten

Der Kommentar sei nicht die verbindliche oder direkt anwendbare Rechtsgrundlage.

Rechtlich massgebend sind in der Schweiz die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), in welchen die Amtshilfe vorgesehen ist, sowie das geltende Steueramtshilfegesetz.

Diese Grundlagen sind älter als die neueste Kommentierung der OECD und untersagen die Übermittlung von Informationen nicht betroffener Personen.

Eingabe in den Nationalrat

Das Büro der OECD in Paris kann also nicht auf dem Interpretationsweg das geltende Schweizer Recht ändern.

Falls die Schweiz das Prinzip der personellen Spezialität, wie die Übermittlung der Daten im Fachjargon heisst, aufgeben möchte, dann müsste sie zuerst ihre DBA neu verhandeln und das Steueramtshilfegesetz anpassen.

FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger brachte dieses Thema nun auch in den Nationalrat ein.

Und die Redaktion muula.ch hatte wieder einmal den richtigen Riecher, dass der Bund mit der unklaren Medienmitteilung etwas verbergen wollte.

15.07.2024/kut.

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