SVP-Bundesrat Albert Rösti redet Klartext zur Energiestrategie 2050. Um den allerwichtigsten Satz drückt sich aber auch der Energieminister.
Die Energiestrategie 2050 der Schweiz ist gescheitert. Das wird immer mehr Menschen in der Schweiz klar.
«Im vorliegenden Stromgesetz sehe ich klar eine Korrektur», sagte SVP-Bundesrat Albert Rösti im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom heutigen Freitag.
Falsche Annahmen
Die Energiestrategie 2050 sei als Importstrategie konzipiert worden.
«Dabei erwies sich die Annahme, dass es in Europa immer genügend Strom hat, den man importieren kann, leider als falsch», betonte der Schweizer Energieminister. Das Land werde zwar nie autark sein.
«Aber bei einer Mangellage müssen wir imstande sein, genügend Strom für unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft zu produzieren», hob Rösti hervor.
Auf später vertagt
Das Stromgesetz, über welches das Volk am 9. Juni abstimmt, schaffe zwar die Grundlage dafür. Es gehe aber um den kurzfristigen Ausbau der erneuerbaren Energien Wasser, Sonne, Biomasse und Wind.
Langfristig wird die Schweiz nicht um die Frage herumkommen, ob es ein neues Atomkraftwerk braucht. Rösti wich diesem Thema im Vorfeld der Abstimmung aus und sagte, der Bundesrat werde diese Frage zu gegebener Zeit diskutieren.
Die Linken im Lande vermuten, dass bei einem Nein der Abstimmung der Druck auf die Schweiz wachse, ein neues Atomkraftwerk zu bauen.
Zubau von Stromproduktion
Mit seinen Äusserungen zur Energiestrategie 2050 fährt der SVP-Bundesrat Rösti quasi seinen Amtsvorgängerinnen Simonetta Sommaruga und Doris Leuthard direkt an den Karren.
«Seit Jahren sprechen wir vom Ausstieg aus der Kernkraft und den fossilen Energien», sagte der amtierende Energie- und Umweltminister.
«Gemacht haben wir fast nichts», kritisierte er die Situation in Richtung Sommaruga und Leuthard.
Die Schweiz müsse mit dem Zubau der Stromproduktion schleunigst weiter vorankommen, hiess es.
Verträge sind keine Lösung
Seit der Coronavirus-Pandemie weiss die Schweiz nämlich, dass Abkommen mit der EU in Krisenzeiten keinen Wert haben.
Als Schutzmasken für die Schweiz aus Asien in Häfen der EU ankamen, blockierte Brüssel die Ausfuhr, weil solche knappen Güter in den Mitgliedstaaten aufgrund des grassierenden Coronavirus dringend benötigt worden waren. Jeder ist sich also selbst der Nächste.
Beim Strom ist es so, wie die jüngste Energiekrise zeigte, dass alle Länder zum gleichen Zeitpunkt unter einer Energieknappheit leiden und dann die Schweiz trotz Abkommen keine Lieferung erwarten kann.
Genau davor gilt es sich jedoch zu wappnen.
Heimat- und Klimaschutz bremsen
Und wer aufmerksam die Artikel von muula.ch in dieser Woche verfolgt hat, erinnert sich, dass das grösste Risiko der Schweizer Wirtschaft praktisch nur der Anstieg des Energiepreises ist.
Anhand einer einzigen Grafik hatte das Bundesamt für Statistik BFS das Problem veranschaulicht.
Der Zubau von Windenergie wird von Teilen des Volkes aufgrund vom Heimatschutz vehement bekämpft.
Solarenergie reicht für eine allfällige Krisensituation bei Weitem nicht aus, selbst wenn man das ganze Land mit Solarpanels überziehen würde.
Viele Schadstoffemissionen gehen bei Kohle, Erdgas und Erdöl wegen Umweltschützern auch nicht.
Zwei Volksabstimmungen
Um den Bau eines neuen Atomreaktors wird die Schweiz daher wohl nicht herumkommen. Es geht praktisch nur noch um die Frage, wie schenkt man dem Volk reinen Wein ein.
«Es würde wohl mindestens 15 Jahre dauern, bis die Baubewilligung für ein neues Kernkraftwerk vorliegen würde«, sagte Rösti. Dazu dürften zwei Volksabstimmungen nötig sein, hiess es weiter.
Letztlich macht es aus Risikoüberlegungen für die Schweiz wahrscheinlich auch keinen Sinn, im Krisenfall auf die Lieferung von Atomstrom aus Frankreich & Co. zu warten – bei praktisch gleichen Risiken für Menschen, Staat und Umwelt durch die Kernenergie gleich hinter den Landesgrenzen.
17.05.2024/kut.