Besorgte Bürger ziehen vor Bundesgericht

Das Bundesgericht in Lausanne soll Klarheit für das Energiegesetz bringen. (Bild: PD)

Der Beschluss der Bundesversammlung zur Änderung des Energiegesetzes sorgt für Unmut. Nun wehren sich zwei Dutzend Bürger vor Bundesgericht und ihre Argumente sind schwer von der Hand zu weisen.

Am Ende der Herbstsession ging es in der Bundesversammlung hoch her und die Vorkommnisse sorgen immer noch für enormes Aufsehen. Am allerletzten Tag fasste die Bundesversammlung nämlich kurzerhand den Beschluss, das Energiegesetz zu ändern.

Das Gesetz entstand in einer Hauruckübung. Die Vorgehensweise verletzte laut Experten das demokratische Grundgerüst der Schweiz, wie auch muula.ch berichtete.

Rebellion von Bürgern

Gegen diesen Beschluss ohne Rechts- und Verfassungsgrundlage haben zwei Dutzend Stimmbürger aus dem Kanton Solothurn als Privatpersonen beim Bundesgericht fristgerecht eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht.

«Wir haben das Bundesgericht nun fristgerecht innert fünf Tagen nach Beschluss mittels Stimmrechtsbeschwerde ersucht, den Rechtsstaat und die Demokratie zu retten, das Gesetz aufzuheben oder ein obligatorisches Referendum anzuordnen», teilte Elias Meier Vogt im Namen der Beschwerdeführer am Montagabend gegenüber muula.ch mit.

Ein gleichlautendes Schreiben sei auch an den Solothurner Regierungsrat versandt worden, hiess es weiter von Meier Vogt, der auch Präsident des Verbandes Freie Landschaft Schweiz ist.

Unterjubeln von Anliegen

Der Beschluss verletzt die Bundesverfassung laut den Angaben gleich siebenfach: BV 165 (Dringlichkeit), BV 78 (Natur- und Heimatschutz), BV 89 (Energie), BV 75 (Raumplanung), BV 43 (Gewaltenteilung) und BV 34 (politische Rechte) sowie beim BV 140 (obligatorisches Referendum).

Es sei sogar der erste Fall in der Geschichte des Schweizer Bundesstaates, in welchem das Parlament ein obligatorisches Referendum unterdrücke, hiess es weiter und verdeutlicht die Dimension des Problems.

Viele Inhalte des Gesetzes seien zudem während der Verhandlungen in der Herbstsession laut Beobachtern ungewöhnlich kurzfristig hinzugefügt oder geändert worden.

So beantragte die Kommission UREK-N die Erhöhung der Grimselseestaumauer erst am 23. September zuhanden des Nationalrates, also erst sieben Tage vor der Schlussabstimmung. Dass der Stausee zwei Mauern habe und nicht nur eine, soll sich sogar erst nach der Abstimmung im Nationalrat herausgestellt haben.

Geheimes Gutachten

Das Bundesamt für Justiz BFJ verfasste zuhanden des Ständerats zum ersten Entwurf der Gesetzesrevision ein juristisches Gutachten, welches die Dringlichkeit und Verfassungsmässigkeit des Gesetzes verneinte.

Zuhanden der UREK-N verfasste das BFJ aber ein zweites Gutachten. Dieses soll plötzlich die Gesetzesänderung für verfassungsmässig beurteilt haben.

Auf ein Offenlegungsgesuch hin weigerte sich die UREK-N gleich zweimal, den Inhalt dieses zweiten Gutachtens bekanntzugeben. Die Herausgabe werde nun auch in der Stimmrechtsbeschwerde verlangt, betonten die Beschwerdeführenden.

Knackpunkt Referendum

Doch selbst wenn die Dringlichkeit gegeben wäre, sei der Bundesbeschluss falsch, weil er nur ein fakultatives Referendum vor dem Volk und kein obligatorisches vor Volk und Ständen vorsieht, hiess es weiter im Communiqué. Letzteres würde die Bundesverfassung aber verlangen.

Die Gesetzesänderung trägt ohnehin den Titel «Dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter». All die Beschlüsse dürften aber kaum das Energieproblem im kommenden Winter lösen, weshalb die Beschwerdeführer durchaus gewichtige Argumente in der Hand haben.

Alles eilig?

Die Bedenken der Beschwerdeführer sind nicht von der Hand zu weisen, weil künftig für den Bau von Autobahnen, Atomkraftwerken oder sogar die Aussetzung von Wahlen, wenn der Zeitpunkt ungünstig erscheint, einfach solche dringliche verfassungsändernde Gesetze erlassen werden könnten.

18.10.2022/kut.

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